Spielzeugfach- bzw. Gewerbeschulen im böhmischen Erzgebirge

Mit dem Niedergang des Bergbaus und später auch der Leineweberei in St. Katharinaberg wandten sich immer mehr Leute der Spielwarenherstellung zu. Jedoch beklagte man noch 1861: „während in Sachsen die Spielzeugindustrie durch geeignete Zeichen- und Schnitzschulen kräftig gefördert wird, entbehren die Spielzeugmacher im böhmischen Erzgebirge noch immer diese Unterstützung.“ Krisen in der Spielzeugbranche und steigende Holzpreise erforderten jedoch eine höhere Qualität.

Da Katharinaberg der Verwaltungsort des Katharinaberger Kreises war und hier gleichzeitig die meisten Drechsler arbeiteten, wurde hier im Jahr 1874 die “K. k. Fachschule für Spielwaren-Industrie in Katharinaberg bei Brüx“ gegründet, die unter der Leitung von Prof. Johann Rordorf stand. In der „Gewerbe- und Industrieausstellung“, die 1879 in Teplitz stattfand, zeigte diese Fachschule „Säugethiere, ausgeführt in Papiermaché. Größere Thiere zum Anschauungs-Unterrichte: Pferd, Dromedar, Bär, Ziege, Ziegenbock, Kalb, Esel, Vorstehhund, (1/6 Natur-Größe) Dromedar, beladen mit Attrappen, Thierköpfe. Sämtliche Arbeiten sind eigene, in der Fachschule angefertigte Modelle.“

Man befand sich auf einem guten Weg zur Qualitätsverbesserung der Holzerzeugnisse, jedoch verlegte man die Fachschule noch im gleichen Jahr nach Oberleutensdorf. Zum einen erwartete man hier einen Anstieg der Schülerzahlen, besonders aus dem Umland auf Grund der Anbindung der Stadt Oberleutensdorf an das Eisenbahnnetz, zum anderen hoffte man auf Innovationen durch die Nähe des Verlages C. A. Müller. Prof. Rordorf war anfangs auch Direktor dieser Schule.

Im Jahr 1882 wurde die Fachschule verstaatlicht und damit dem Kultur- und Unterrichtsministerium unterstellt. Sie erhielt die Bezeichnung „Fachschule für Spielwaren-Industrie in Oberleutensdorf“. An dieser Fachschule konnte man neben Spielzeuggestaltung auch das Modellieren, das Zeichnen und weitere Fächer, die einer eigenständigen Gestaltung dienten, erlernen. Natürlich gehörten auch Lehrgänge zur Erlangung kaufmännischer Kenntnisse dazu.

Der Umzug von Katharinaberg nach Oberleutensdorf brachte jedoch für die jungen Spielzeugmacher um Katharinaberg erhebliche Nachteile. Die Entfernung zwischen beiden Orten beträgt ca. 20 km, die sie laufen mussten, was in der damaligen Zeit nicht ungewöhnlich war. Aber die Drechsler waren doppelberufig und mussten neben ihrer Arbeit noch eine Landwirtschaft betreiben, um in dieser rauen Gegend überleben zu können. Die jungen Männer wurden im Frühjahr bei der Aussaat ebenso gebraucht, wie im Sommer für die Ernte. Im Herbst kamen die Verleger und brachten ihre Aufträge, die nun bis zur Weihnachtszeit erledigt werden mussten. So fehlte nicht nur das Geld, sondern auch die Zeit, um die Fachschule in Oberleutensdorf besuchen zu können. Eine Qualitätsverbesserung trat kaum ein.

Um diese für die im Katharinaberger Gebiet hergestellten Holzerzeugnisse zu erreichen, setzte die Fachschule Wanderlehrer ein. Sie sollten die Hersteller aufsuchen, ihnen sowohl bei neuen Entwürfen, als auch bei technischen Fragen kostenlos zur Seite stehen. Jedoch kam es oft vor, dass ihnen mit schroffen Worten der Zutritt zu deren Wohnung oder Werkstatt verwehrt wurde. Auf Grund der Befragung nach den verwendeten Farben, Materialien, Lack, Bindemittel etc. bezichtigten die Drechsler die Lehrer oft der Spionage, mit der Befürchtung des Diebstahls ihrer Entwürfe.

Der Fach- und Wanderlehrer Karl Braun, er stammte aus Katharinaberg, ließ sich nicht entmutigen. 1907 sandte er eine Postkarte an den Fachschuldirektor Mikisch, mit der er ihm mitteilte, dass er nun endlich doch einen Hersteller für bestimmte Städte gefunden habe. Braun war es auch, der seiner Schulleitung folgende Vorschläge zur Verbesserung des Unterrichts unterbreitete:

  1. Die Teilnehmer am Unterricht werden für den Arbeitsausfall mit Prämien entschädigt.
  2. Den Herstellern wird für die Anschaffung von kleinen Maschinen, Sägen, Drehbänken etc. ein Darlehen gewährt, das sie in 2 bis 3 Jahren in kleinen Raten zurückzahlen.
  3. Den Fachlehrern sollte der Besuch der Leipziger Messe, um neueTechnologien kennen zu lernen, ermöglicht werden.

Zwar überliefern die Akten nicht, ob diese Vorschläge realisiert wurden, aber sie zeigen die wichtigsten Probleme der Spielwarenherstellung in dieser Zeit an.

Das Ansinnen der Stadt Katharinaberg um Einrichtung eines ständigen Kurses, wird vom Kultusministerium zu Gunsten des Wanderunterrichts abgelehnt. Dennoch werden „Fachkurse für Drechsler und Holzspielwarenerzeuger in Katharinaberg, Göttersdorf und Kallich für die ärmere Bevölkerung abgehalten, um sie mit der Herstellung von geschmackvollen Spielwaren, Dreharbeiten, Brandmalerei usw. in rationeller Weise vertraut zu machen.“

Der Wiener Kaufmann Franz Frankl, der sich intensiv mit der Spielwarenherstellung im Katharinaberger Gebiet beschäftigt hatte, schrieb 1905, dass man mit nur 10 Schritten den Grenzfluss Schweinitz von Sachsen nach Böhmen überquert hat, die Entwicklung des böhmischen Spielwarengewerbes jedoch, liegt 100 Jahre hinter der in Sachsen zurück. Zwar gibt er dafür die Hauptschuld den meisten böhmischen Verlegern und der schlechten Verkehrssituation. Aber er fordert auch einen dreijährigen Kurs für die Kinder der hausindustriellen Holzwarenerzeuger, in dem sie praktisches Zeichnen, Modellieren, Schnitzen, Drehen, Tischlerei und kaufmännische Fähigkeiten erwerben können. Die Fachschule in Oberleutensdorf sei dafür gut gerüstet und er hofft auf die Eisenbahnlinie von Olbernhau-Grünthal nach Oberleutensdorf. Er erkennt bereits, dass die Schülerzahlen immer stärker nachlassen.

In und um Katharinaberg dagegen wird ein Fachunterricht immer dringender. So beantragt die Stadt auch seit etwa 1910 jährlich Kurse bei der Fachschule Oberleutensdorf, die bis zu sechs Monate dauern. Jedoch wollen sich in Oberleutensdorf kaum noch junge Leute in der Fachschule ausbilden lassen. Sie gehen in die Textilindustrie und in den Bergbau, wo sie mehr Geld verdienen. So muss diese Fachschule in Oberleutensdorf 1916 geschlossen werden.

In Katharinaberg wenden sich jedoch immer mehr Personen dem Holzgewerbe zu, aber erst ab 1920 begann in Katharinaberg der Unterricht als Fachfortbildungsschule in dem Gebäude, in dem die Fachschule bis 1879 untergebracht war. 1922 genehmigt die „Staatlichen Fachschule für Holzbearbeitung“ den Unterricht nur, weil sämtliche Nebenkosten, wie Strom, Reinigung, Heizung etc., von der Stadt Katharinaberg übernommen wurden, stellt aber im gleichen Schreiben auch in Aussicht, wenn sich diese Einrichtung bewährt, würde mit den zuständigen Stellen darüber verhandelt. Wohl zur gleichen Zeit wird eine Lehrwerkstatt eröffnete, die der „Vereinigte Holz- und Spielwarenfabriken GmbH Katharinaberg – EROS“ unterstand. 1924 schätzte das Ministerium ein, dass sich diese Lehrwerkstatt bewährt hat und zu einer ständigen Einrichtung ausgebaut werden soll, in der sich auch Räume befinden, in denen Schüler übernachten können. In dieser Lehrwerkstatt wurde auch das Reifendrehen gelehrt.

Ein sehr wichtiger Schritt zu Erhöhung der Qualität war jedoch die Errichtung des neuen „Hauses des Erzgebirgischen Spielwarenhandwerks“ in Katharinaberg, das 1930 mit Unterstützung durch das „Unterrichts- und Volkskulturministerium der Gewerbe- und Handelskammer Eger“ fertig gestellt wurde.

Auf Grund von Änderungen im Bildungssystem konnte man diese neue Schule nicht mehr Fachschule nennen. Sie hieß nun „Allgemeine gewerbliche Fortbildungsschule“, deren Direktor und gleichzeitiger Zeichenlehrer Prof. Robert Roßmeißl war. Im Gebäude befand sich auch die „Staatslehrwerkstätte für Spielwarenindustrie“, deren Direktor ebenfalls Prof. Robert Roßmeißl war. Die Lehrwerkstatt war in die Abteilungen Galanterie, Tischlerei, Schnitzerei und Pappmaché sowie Drechslerei untergliedert. Unter dem Dach des neuen Gebäudes arbeitete auch die „EROS“. Die Verbesserung der Qualität des böhmischen Holzspielzeugs war deutlich.

Mit der Vertreibung 1945 erloschen alle Traditionen der böhmischen Fach- bzw. Gewerbeschulen für Spielzeug im böhmischen Erzgebirge. Das schöne Gebäude erhielt bald neue Aufgaben.

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