Ausbildung zum Holzspielzeugmacher und Drechsler

Die Seiffener „Fachschule“

Die Berufe des Holzspielzeugmachers und Drechslers kommen im Erzgebirge häufig vor. Holzspielzeugmacher werden heute bundesweit nur in Seiffen, an der Holzspielzeugmacher– und Drechslerschule, einer Außenstelle des beruflichen Zentrums Zschopau, ausgebildet. Für beide berufe beträgt die Lehrzeit drei Jahre. Bewerber benötigen mindestens einen Hauptschulabschluss, handwerkliches Geschick und Gefühl für Formen.

Die Anfänge dieser beruflichen Ausbildung liegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals war die hiesige Spielwarenindustrie in eine tiefe Krise geraten. Steigende Rohstoffpreise waren nur ein Grund hierfür. Ein großes Problem war die spürbar nachlassende Qualität, in der die Spielwaren gefertigt wurden.

Durch die gerade eingeführte Gewerbefreiheit meldeten immer mehr meist ungelernte Männer ein Handwerk an, sodass zunehmend mehr kleine Spielzeugmacher und Drechsler zu Konkurrenten wurden. Ein Zeitzeuge schrieb hierzu: „Jetzt sind wohl 2000 Drechsler beschäftigt. Und dis Gewerbe so frey, daß weder Lehrzeit, noch Wanderschaft, noch Meisterstück gefordert wird, und jeder Knabe, sobald er nur ein sogenandes Mänchen schnitzen kann, Drechsler ist, und selbständig, sobald er davon genug zu seinem Unterhalt fertigen kann.“

Die Konkurrenz an Mode– und Qualitätserzeugnissen (z. B. Blechspielzeug) aus industrieller Fertigung bestimmte die Preisgestaltung. Einige Hauptexportländer hatten zudem eine eigene Spielwarenindustrie aufgebaut und die Seiffener Waren mit hohen Schutzzöllen belegt. Dadurch ging das Exportgeschäft stark zurück. Die Nachfrage auf dem Binnenmarkt reichte nicht aus, um die Beschäftigung aller Spielzeugmacher zu sichern. Die Handwerker versuchten, durch Verbilligung ihrer Produkte dem Preiskampf standzuhalten. Formen wurden vereinfacht, Farben sparsamer eingesetzt und auf Schmuck fast gänzlich verzichtet. So entstand zunehmend minderwertige Schund– und Massenware. Die Nachfrage an Seiffener Spielzeug ging weiter zurück, die Einkünfte der Spielzeugmacher sanken unter das Existenzminimum.

Im Jahr 1843 legten 158 Seiffener Drechsler und Spielzeugmacher bei ihrer Herrschaft auf Purschenstein Beschwerde ein und forderten Beschränkungen der Gewerbefreiheit:

„Denn gut und fein gearbeitete Waare erfordert außer Geschick und Lust auch Aufwand von Zeit und Arbeit, diese aber kann höchstens nur der aufwenden, bei dem derartige Waaren besonders bestellt und angemessen bezahlt wird… nicht aber der gewöhnliche Arbeiter, der mit den Schleuderwaaren der halbausgebildeten Pfuscher… Conkurrenz und gleiche Preiße halten muß, will er nicht mit seiner Familie verhungern…“

Jedoch nicht in der Beschränkung des Gewerbes sah man staatlicherseits einen wesentlichen Ausweg aus dieser Entwicklung. Die Spielzeugmacher sollten stattdessen in der Gestaltung marktfähiger Produkte unterwiesen werden. Seit 1833 fand bereits zu diesem Zweck in Seiffen zweimal wöchentlich fachgewerblich orientierter Zeichenunterricht statt, der 1849 durch den Werkunterricht ergänzt wurde. Am 17.5.1852 eröffnete die sächsische Staatsregierung die „Königliche Special – Gewerbeschule zu Seiffen“.

Anfangs sahen die Seiffener in diesem Unterricht weder einen Sinn noch einen Ausweg aus ihrer Lage. Auch die mangelhafte Qualifizierung der ersten „Ausbilder“ band wohl so manchen Handwerkersohn eher an den täglichen Brotverdienst in der väterlichen Werkstatt. Die wenigen Schüler blieben wieder aus und der Unterricht kam zum Erliegen. Unter staatlicher Aufsicht jedoch gelang kurz darauf eine Wiederbelebung und bereits um das Jahr 1875 hatte sich die Spielzeugmacherschule als anerkannte Einrichtung etabliert. Die inzwischen 54 Schüler (darunter auch Erwachsene) wurden in Zeichnen, Modellieren, Farbenlehre, Holzbildhauerei und Buchführung, ab 1882 auch im Drechseln unterrichtet. Im Jahre 1887 gestalteten die Schüler eine erste Ausstellung ihrer Arbeiten im Seiffener „Erbgericht“ und bekamen viel Anerkennung. 1904 zog die Schule mit 136 Schülern in das heutige Gebäude (Hauptstraße 112) ein.

Bisher waren der Entwurf und die Gestaltung kaum Gegenstand der Unterweisung gewesen. Auch im praktischen Unterricht wurden nur bestehende Muster nachgearbeitet. In dieser Hinsicht ging die Spielzeugmacherschule unter ihrem neuen Leiter Alwin Seifert einen Entwicklungsschritt weiter. Seifert, der 1914 sein Amt antrat, schulte bei seinen Schülern den Sinn für saubere, solide Arbeit und einen guten Geschmack. Es galt nicht nur, handwerkliche Techniken zu erlernen, sondern auch den Erfindergeist der Vorväter wiederzubeleben.

In den folgenden Jahren erlebte die Schule so regen Zulauf, dass sich bald Probleme im Lehrablauf ergaben. Die zu groß gewordenen Klassen wurden geteilt, um eine individuellere Ausbildung gewährleisten zu können. Neue Lehrkräfte kamen an die Schule. Die Schüler erhielten nun auch Unterricht im Bemalen von Spielzeug.
 Der besondere Verdienst Alwin Seiferts liegt im Aufspüren, Wiederbeleben und Fortentwickeln ursprünglicher Eigenarten der Seiffener Spielzeugmacherei. Hier sind besonders die Mettenlaternen, das Reifendrehen und das Spanbaumstechen zu nennen. Durch die Entwicklung neuer, seriell realisierbarer Modelle nahmen diese einen neuen Aufschwung.

1920 trat Max Schanz die Stelle des Zeichenlehrers an und übernahm zunehmend die Organisation des Betriebsablaufes. 1935 wurde er zum Leiter der Schule berufen. Max Schanz widmete sich vor allem der Entwicklung neuartiger Produkte. Ihm war die Unsicherheit der Spielzeugmacher gegenüber der erforderlichen Technisierung und Rationalisierung bewusst und er gab ihnen mit Entwürfen zu einfachem, dennoch ausdrucksstarkem und technologisch machbarem Spielzeug Antwort.
 
Schanz sagte einmal: „…es ist unzumutbar und würde heißen in der Armut und Not zu verharren, wolle man in der alten Art und Weise weiterarbeiten. Die soziale Stabilität ist wichtiger als alle Nostalgie! Es gibt die Möglichkeit mit modernen Herstellungsmitteln auch gut zu sein“.

Schulabgänger seiner Zeit wurden mit einem praxisorientierten Gerüst an gestalterischen, technologischen und betriebeswirtschaftlichen Fertigkeiten ausgestattet. Der fachorientierte Lehrplan sah folgende Unterrichtsfächer vor: Theoretische Fachkunde, Freihandzeichnen, Volkskunststudien, Fachzeichnen, Schmückender Unterricht, Schriftgestaltung, Buchführung, Bemalung von Spielzeug, Maschinenarbeit, Drechseln, Schnitzen, Gestaltung und Kostenrechnung.

1936 wurde der Spielzeugmacherberuf, auf Schanz intensives Betreiben hin, zum Handwerks– und Lehrberuf erhoben, 1942 die Seiffener „Spielwaren- und Gewerbeschule“ als staatliche Lehrwerkstatt eingestuft. Das heißt, sie erteilte sowohl Fach– als auch den obligatorischen Berufsschulunterricht.

Besonders engagierte sich Max Schanz auch auf dem Gebiet der Werbung, denn den Spielzeugmachern fehlte es weiterhin an Arbeit und Einkommen.
Er wirkte in Werbeausschüssen, wie dem 1934 gegründeten Werbeverband, für das Holz– und Spielzeuggewerbe im Schwartenberggebiet e. V. mit und bewies Einfallsreichtum und Geschick bei der Organisation und Durchführung von Messen, Wanderausstellungen und Umzügen. Die von ihm angeregten Theatervorstellungen in der Seiffener Freilichtbühne fanden großen Anklang.

Ein Höhepunkt in der Geschichte der Fachschule war die Teilnahme an der Deutschen Weihnachtsschau in Berlin im Dezember 1935, wo sie mit einem vier Meter hohen Weihnachtsmann auf einer Spieldose beeindruckte.

Jahrelang bemühte sich Schanz um eine ständige Seiffener Spielzeugwerbeschau, die schließlich am 23.5.1936 eröffnet wurde. Die Schau sollte weniger die alten Traditionen preisen, sondern dem gegenwärtigen Handwerk helfen. Die Ausstellungsgestaltung sowie Plakat– und Logoentwürfe lagen in der Verantwortung der Schule.

Ebenso der Arbeitsbeschaffung diente die Herstellung von verschiedenen Holzansteckzeichen. In den Jahren 1934 bis 1943 wurden Aufträge für WHW („Winterhilfswerk“) und KDF- („Kraft durch Freunde“) Anstecker in Millionenhöhe vergeben, an deren Gestaltung die Seiffener Fachschule stark beteiligt war.

Max Schanz hielt den Schulbetrieb bis in die letzten Tage des 2. Weltkrieges aufrecht. In der Zeit danach stellte er sich schützend vor das Lehrkonzept und die Traditionen seiner Schule. Im Sommer 1945 hatte er neue Lehrpläne erarbeitet und im Oktober wurde der Schulbetrieb unter seiner Leitung wieder aufgenommen. Max Schanz schied wenige Wochen später aus dem Dienst aus und Heinz Eichler wurde sein Nachfolger.

Die Ausbildung und der Ablauf des Unterrichts knüpften an die Methoden der Vorkriegszeit an. Die staatlichen Kulturverantwortlichen waren sich der Bedeutung der Seiffener Spielwarenschule trotz der schlechten Wirtschaftslage bewusst, sollten doch die Absolventen der Schule später mit ihrem Können das Warenangebot bereichern. Dennoch trug man sich 1951 mit dem Gedanken, die Einrichtung aufzulösen, wobei Finanzierungsprobleme eine große Rolle spielten.

Die in „Gemeinschaftslehrwerkstatt Seiffen“ umbenannte Spielwarenschule wurde schließlich dem volkseigenen Betrieb (VEB) Seiffener Spielwaren und ab 1966 dem VEB VERO Olbernhau angegliedert.

Der theoretische Unterricht für die künftigen „Facharbeiter für Holzspielzeug“ fand fortan an der Allgemeinen Berufsschule in Neuhausen statt. Die praktische Ausbildung erhielten sie in der Seiffener Lehrwerkstatt.

Das Lehrkonzept wurde noch bis in die 60er Jahre hinein dem Anspruch der ehemaligen Fachschule gerecht. Mehr und mehr wurde jedoch die Lehrausbildung zu einem Teil der betrieblichen Produktion und das Lehrprogramm von den Planaufgaben der Betriebe bestimmt. So war die Herstellung von Artikeln in einer Auflage von mehreren tausend Stück durchaus üblich. Die Ausbildungspraxis erwies sich als ein Balanceakt zwischen der Erfüllung von Plänen, der Vermittlung umfassender, berufsspezifischer Fertigkeiten und der Bewahrung erzgebirgischer Traditionen.

Die gesellschaftlichen Veränderungen der Jahre 1989 und 1990 ließen unter Spielzeugmachern und Kommunalpolitikern die Hoffnung auf eine Seiffener Spielwarenschule nach dem Vorbild der Schanz’schen Ausbildungsstätte keimen.

Am 1.7.1990 wurden das Gebäude und der Lehrbetrieb in kommunale Trägerschaft übernommen. Die Auszubildenden der ehemals staatlichen Betriebe konnten ihre Lehre in einer überbetrieblichen Maßnahme beenden. Jedoch war der Beruf des Holzspielzeugmachers mit erzgebirgischer Prägung nun, nach Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes der BRD, kein anerkannter Ausbildungsberuf mehr. Aber nur gut ausgebildeter Berufsnachwuchs kann die Qualität der erzgebirgischen Produkte in Zukunft sichern, wussten die Verteidiger dieses Handwerks und setzten alles an die Erarbeitung eines Lehrkonzepts, das die erzgebirgische Tradition der Spielzeugmacher und die marktwirtschaftlichen Anforderungen vereint. Wichtig hierbei war die Bereitstellung geeigneter Muster, Modelle und Produkte für die handwerkliche Ausbildung.

In enger Zusammenarbeit mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Fachbereich Angewandte Kunst in Schneeberg, besonders durch Prof. Gerd Kaden, entstand diese neue Lehrproduktion, die auch 1992 mit dem „Sächsischen Staatspreis für Design“ ausgezeichnet wurde.

Bereits Ende 1991 hatten die Anstrengungen Erfolg. Der Beruf des erzgebirgischen Holzspielzeugmachers wurde in die Handwerksrolle der BRD eingetragen. Im selben Jahr hatte der Berufsbildungsverein Annaberg e. V. die Trägerschaft über die Schule übernommen.

Im Jahre 1995 wurden mit einem Kostenaufwand von 600.000 DM erste notwendige bauliche und finanzielle Voraussetzungen für die weitere Ausbildung geschaffen. 1997/98 erfolgte dann mit Fördermitteln des Freistaates und der EU eine umfassende Rekonstruktion des Gebäudes. Alle Einrichtungen wurden dabei neu gestaltet: die Unterrichtszimmer, das Informatikkabinett, der Bankraum, die Malerei, Werkstätten, Drechslerei, der Ausstellungsraum, Sanitäranlagen u. a. Am 9.10.1998 konnte eine fast völlig neue Schule den Ausbildern und Lehrlingen übergeben werden. Die Sanierung der Schule war ein wichtiger Schritt zur endgültigen Anerkennung und Erhaltung des traditionellen erzgebirgischen Berufes.

In der Schule findet die theoretische Ausbildung für Spielzeugmacher und Holzdrechsler statt. Die praktische Ausbildung erfolgt als Verbundausbildung unter der Regie des Verbandes Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e. V. Bewährte Handwerkermeister vermitteln dabei ihr Wissen und Können an die Lehrlinge.

Seit 1995 wurden insgesamt 365 Holzspielzeugmacher/innen ausgebildet. Im aktuellen Ausbildungsjahr 2019/2020 werden in den drei Klassenstufen insgesamt 33 Lehrlinge unterrichtet. Die Branche würde sich über höhere Schülerzahlen freuen, denn sie benötigt dringend Fachkräfte.

Catrin Tolksdorf-Bilz

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