Einmalig auf der Welt – Reifentiere und Spanbäume

Nur im Seiffener Winkel beherrscht man die Kunst Profilreifen zu drechseln, aus denen sehr rationell 60 abgespalten werden können (Abb. 2). Hier entstand auch das Stechen der sehr ästhetischen Spanbäume. Warum entstanden diese Techniken nur hier?

Das Reifendrehen

Bei Seiffen war von etwa 1488 bis 1826 die Glashütte Heidelbach im Umgang, die nicht nur einfaches Gebrauchsglas, sondern auch Gläser für den Dresdener Hof produzierte. Um hohen Ansprüche auch in Serien zu genügen, verwenden die Glasmacher z. B. Holzformen. Derartige Holzformen stellt der Formendrechsler her, indem er die Negativform des Endproduktes, des Glases, in einen Holzklotz drechselt. Eine Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass das Holz stets feucht sein muss, d. h. sowohl beim Drechseln, als auch dann, wenn der Glasmacher die heiße Glasblase in die Form einbläst. Ansonsten reißt das Holz und diese Risse würden unerwünschte Spuren auf den fertigen Gläsern hinterlassen. Für die Glashütte Heidelbach können Holzformen bereits für das Jahr 1722 nachgewiesen werden. Der Formendrechsler war auch in Seiffen der beste Drechsler.

Um 1760 brachte der Verleger Christian Friedrich Hiemann derartig viele Aufträge an Holzspielzeug aus Nürnberg nach Heidelberg, dass weder das Holz noch die Anzahl der Drechsler genügten. In dieser Situation nutzte wohl der Formendrechsler der Glashütte Heidelbach, vielleicht vom Verleger Hiemann angeregt, seine besonderen Fähigkeiten und begann Profilringe zu drechseln, die beim Aufspalten Zubehörteile wie Arme für Figuren, Schwänze, Geweihe und Ohren für Tiere etc. und später Tierprofile zeigten. Ja sogar Profile von Häusern drechselte der Reifendreher in einen Ring.

Glasformen- und Reifendreher müssen ausgezeichnete Fachleute mit hervorragendem Vorstellungsvermögen und Formengefühl sein. Bei beiden Verfahren werden feuchtes astfreies Holz, sehr ähnliche Werkzeuge und stabile Maschinen verwendet. Die zahlreichen Gemeinsamkeiten von Glasformen- und Reifendrehen belegen, dass das Reifendrehen wohl aus dem Glasformdrehen entwickelt wurde.

Das Reifendrehen stellte eine Rationalisierung dar, die Seiffen eine führende Position unter den Spielwarengebieten Europas und damit der Welt verschaffte. Zwar kamen während der Spielwarenkrise um 1900, die auch wesentlich auf der Verteuerung des Holzes beruhte, Zweifel auf, ob der Einsatz der Reifendrehbank oder doch die Kreissäge gefördert werden sollte, doch die Regierung in Dresden entschied sich für das Reifendrehen. Diese Technik wird heute nur in Seiffen, Deutscheinsiedel und Neuhausen beherrscht. Noch heute ist Reifendrehen bei verschiedenen Konturen schneller als der Einsatz von Lasertechnik.

Man ist der Meinung, dass heute ein guter Drechsler, der das Längs- oder das Querdrehen beherrscht, auch Reifen drehen kann. Das ist sicher richtig! Denn er weiß, welche Fähigkeiten, welche Bedingungen und welche speziellen Ausrüstungen dafür notwendig sind. Jedoch daraus abzuleiten, dass vor ca. 250 Jahren auch ein „normaler“ Drechsler die ersten Reifen gedreht haben könnte, erscheint als unwahrscheinlich. Man stelle sich die enorm große geistige Leistung vor, die notwendig gewesen wäre, um Reifen drehen zu können. Er brauchte eine viel stärkere und stabilere Drehbank und dazu größer dimensionierte Werkzeuge, von denen viele eine ganz spezielle Schneidengeometrie aufweisen müssen. Er musste die Erfahrung machen, dass das Reifendrehen ausschließlich mit feuchtem Holz funktioniert. Für all die Anforderungen, die sich von den anderen Drechselverfahren unterscheiden, wären langwierige Tests notwendig gewesen, die in einer so kurzen Zeit, wie sie der Spielwarenmarkt eben in diesen Jahren verlangte, wohl nicht zu schaffen waren.

Schon Dr. Hellmut Bilz wies darauf hin, dass das Reifendrehen in eine „allmählichen Entwicklungsprozess“ entstand. Jedoch begann dieser Entwicklungsprozess wohl lange bevor Reifen für Spielzeug überhaupt gebraucht wurden. Er begann im Rahmen der Entwicklung des Glasformendrehens viele Jahrhunderte vorher. Als man in der Reifendreherei eine rationelle Methode erkannte, stand der Glasformendreher der Heidelbacher Glashütte mit seinen Erfahrung und Ausrüstungen sofort bereit. Somit ist stark anzunehmen, dass das Reifendrehen aus dem Glasformendrehen entstand.

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