Geschichte der böhmischen Spielwaren

Die wahrscheinlich frühesten urkundlich erwähnten Holzwarenhersteller im böhmischen Erzgebirge sind die Löffelmacher Andreas und Caspar Wagner, die das Kirchenbuch von Brandau/Brandov bereits im Jahre 1633 nennt.

Drechseln war in Böhmen ein weit verbreitetes Handwerk. Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten hier insgesamt 358 Drechsler, mit 45 dieser Handwerker galt Rumburg/Rumburk und Umgebung als das Zentrum der Drechselei. Hier stellte man hauptsächlich Tabakspfeifen her. In Städten wie Dux/Duchcov, Brüx/Most oder Komotau/Chomutov übten die so genannten „Kunstdrechsler“ ihren Beruf aus, die feine Sachen aus Bein, Horn, Stein, Stahl und Silber fertigten. Holzdrechsler, die zu dieser Zeit vornehmlich Puppen, Teller, Brettspiele, Stöcke, Kegel und Kugeln etc. produzierten, bezeichnete man hier als „Gemeine Drechsler“. Auch im böhmischen Erzgebirge, so in dem kleinen Ort Uhrissen/Orasín, arbeiteten sehr früh Drechsler. Sie stellten hauptsächlich Geschirr, also Teller, Schüsseln und andere Gebrauchsgegenstände her.

Im Jahre 1784 erließ Kaiser Joseph II. eine neue Zollordnung, die u. a. die Einfuhr von „Berchtesgadner Holzspielzeug“ verbot. In Folge dessen gründete noch im gleichen Jahr der Forstmeister der Herrschaft Rothenhaus, Josef Hein, Böhmens erste Drechselfabrik für Spielzeug in Kallich/Kalek. Nach dessen Tod kaufte diese Fabrik der Herrschaftsbesitzer Graf Franz von Rottenhan auf Rothenhaus. 1791 fand anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten für Leopold II. in Prag eine Gewerbeausstellung statt. In dem aus diesem Anlass erschienen Katalog wird die „Holz- oder so genannte Berchtolsgadener Waare aus der gräflichen Rottenhan’schen Fabrik zu Rothenhaus“ ausdrücklich hervorgehoben.

Zur gleichen Zeit war der Bergbau in St. Katharinaberg/Hora Sv. Kateřiny stark rückläufig und die Bergleute suchten einen neuen Broterwerb. Neben dem Leinenweben und Strumpfwirken begann man auch zu drechseln. Bereits 1798 beantragte der Drechsler Franz Zenker das Huthaus und das Pochwerkes in Pacht zu nehmen. Wenig später hatte sich diese Drechslerei derart gut entwickelt, dass sich die Herrschaft Rothenhaus beim Magistrat der Stadt Katharinaberg beschwerte, weil Zenker Handel auch im Großen betrieb, was doch nur der herrschaftlichen Drechselfabrik zustünde. Dennoch entwickelte sich die Zenkerfabrik zu einer herausragenden Drechselfabrik, die ein breites Sortiment aus Holz gedrehter Artikel herstellte, die sehr billig waren und überwiegend exportiert wurden.

In Oberleutensdorf nahm die Spielwarenerzeugung 1822 ihren Anfang, indem der wohl aus dem sächsischen Heidelberg stammende E. G. Krause sich mit dem Direktor der im Niedergang begriffenen herrschaftlichen Tuchmanufaktur Johann Treibler in Verbindung setzte und Letzterer in seiner Schleifmühle mehrere Drehbänke einbaute. Auf Krauses Vermittlung hin und mit Genehmigung der Obrigkeit siedelten neun Familien aus Heidelberg nach Oberleutensdorf um. Dazu gehörten die Schachtelmacher Klemann und Reichel sowie die Drechsler Bräuer, Froß, Harzer, Kaden, Lebrecht, Peter und Ullrich. Diese Handwerker lieferten die Erzeugnisse, mit denen der später bedeutendste Spielwarenverlag der k. u. k. Monarchie, C. A. Müller, Oberleutensdorf, seinen Handel begann. Der Preiscourant (Katalog) dieser Firma wies um 1860 immerhin 14.000 verschiedene Gegenstände aus, die vornehmlich aus Holz, aber auch aus Blech und Pappmaché bestanden. Zu den Holzspielwaren gehörten Soldaten, Tiere, Häuser, Waffen, Baukästen, kleine Möbel, Puppen etc. Die Hälfte dieser Erzeugnisse wurde vornehmlich in überseeische Absatzgebiete exportiert. Es wurde festgestellt, dass die Ware aus Oberleutensdorf hochwertiger ist, als die aus dem böhmischen Gebirge stammende. Man führte dies auf eine fehlende „Zeichen- und Schnitzschule“ zurück.

Bereits 1828 soll in Uhrissen/Orasín Joseph Walter Spielwaren gedrechselt haben. Durch dieses abgelegene Dörfchen fließt die Biela, die sicher das Wasserrad der hier bereits vor 1846 gegründeten Drechslerwarenfabrik antrieb, die als „größere Gewerbsanstalt“ bezeichnet wurde. Im Laufe der Jahre breitete sich die Spielwarenherstellung stark aus. So arbeiteten 1862 Spielwarenmacher u. a. in Hennersdorf, Uhrissen, Göttersdorf, Nickelsdorf, Ladung, Böhmisch Einsiedl, Brandau, Grünthal, Kleinhan, Kallich und Katharinaberg. In diesem Gebiet existierten nun insgesamt 300 Drehstellen, wovon allein in Katharinaberg 200 gezählt wurden! Lediglich noch zwei Männer waren zu dieser Zeit hier im Bergbau beschäftigt.

Jedoch waren es nicht nur Drechsler und Schnitzer, die im böhmischen Erzgebirge Spielwaren herstellten. Teigfiguren für die Kastenkrippen fertigte man hier bereits im 18. Jahrhundert. Erzeugnisse aus Pappmaché produzierte man in Oberleutensdorf/Litvinov seit 1830. Später auch in Katharinaberg, Brandau und Georgendorf.

Stets wurde jedoch die niedrige Qualität der im böhmischen Erzgebirge erzeugten Holzwaren bemängelt. 1880 kritisiert man, dass in den Gebirgsdörfern nur „allerordinärstes, billiges Spielzeug“ produziert wird und die Entwicklung eben dieses Spielzeugs stillsteht. Als Gründe nannte man die fehlende Fachschule und die nachlässige Arbeit der böhmischen Verleger. Es würden hier hauptsächlich Sachen hergestellt, die man beim sächsischen Nachbarn nicht erzeugt, weil man daran nichts verdiene. Auch Franz Frankl nannte dafür als Hauptgrund die nachlässige Arbeit der böhmischen Verleger, die nur dann Aufträge vergeben würden, wenn sie die Ware auch schnell wieder verkaufen könnten und die Drechsler auch kaum berieten oder Anforderungen stellten. Darüber hinaus bemängelte er die fehlende Fachausbildung der Drechsler ebenso, wie die mangelnde verkehrstechnische Einbindung in das Straßen- und Eisenbahnnetz. Ansporn zur Verbesserung der Qualität wird auch die „1. Erzgebirgische Gewerbeausstellung in Katharinaberg“ gegeben haben, an der sich auch viele Drechsler und andere Spielwarenmacher beteiligten.

Nach dem Ersten Weltkrieg wiesen die Erzeugnisse von immer mehr Produzenten eine gute Qualität auf. Dies war sicher dem Wanderunterricht und später der Fachschule Katharinaberg ebenso zu danken, wie den höheren Ansprüchen, die die Verleger stellten, der besseren verkehrstechnischen Einbindung durch den Bahnanschluss Deutschneudorfs im Jahr 1927 und natürlich den wachsenden Ansprüchen der Hersteller an ihre eigenen Produkte.

Um 1830 entwickelte sich auch die Produktion von Blechspielzeug. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts lieferten die Walzwerke in Gabrielahütten/Gabrielna Hut’ und Kallich/Kalek 2000 Zentner Blech an verschiedene Spielwarenhersteller. Ende des 19. Jahrhunderts siedelte der Klempner Schlesinger von Sayda nach Oberleutensdorf über. Da seine Geschäfte in Böhmen schlecht liefen, begann er Blechspielzeug herzustellen. Nach dem Tode Schlesingers kam die Fabrik an Viktor Heller und Ernst Schiller. Unter der Firmenbezeichnung „HUSCH“ fertigten sie ab 1925 als eine der ersten Firmen in der Tschechoslowakei mechanische Züge und kleine Autos mit Federantrieb. Im Jahr 1938 mussten sie als Juden die Firmenleitung verlassen. Diese wurde unter der Bezeichnung Fa. Kurt Schmidt & Co. fortgeführt, die nun hauptsächlich militärisches Spielzeug herstellte. 1945 musste die Produktion endgültig eingestellt werden.

Nicht so bei zahlreichen Holzwarenbetrieben im Gebirge. Zwar wurden die deutschen Besitzer vertrieben, jedoch übernahmen nun Tschechen einige Betriebe. Sie führten oft die Produktion ihrer Vorgänger fort und nannten, wohl zu Werbezwecken, den einstigen deutschen Firmennamen. So übernahmen V. Brandner und J. Kadlec den ehemaligen Betrieb der Fa. Gabert in Gebirgsneudorf und produzierten z. B. das Ruderboot weiter. Manche der neuen tschechischen Besitzer holten gar Drechsler aus den sächsischen Nachbardörfern, um die Produktion weiterzuführen.

Rudolf Neuber aus Deutschkatharinenberg arbeitete mit einem Freund im Sommer 1945 sonnabends und sonntags als Linksdreher bei Herrn Vrana, der das Gebäude der ehemalige Firma Mitheis im Katharinaberger Grund übernommen hatte. Sie bekamen dafür Brot und Kartoffeln, was der Hauptgrund ihrer Wochenendarbeit war. Allerdings beendete die tschechische Polizei bald diese illegale Arbeit. Bis 1950 stellten fast alle Holzbetriebe im Gebirge ihre Arbeit ein. Es blieb ein Sägewerk mit Drechslerei in Kalek, das bis in die 1990er Jahre existierte und die Nachfolgefirma der Spielwarenfirma G. R. Walter in Nova ves v Horach, die heute unter der Bezeichnung NBW firmiert. Die alten Besitzer dieser Firma führten nach ihrer Flucht die Produktion von hochwertigem Holzspielzeug bis 2008 in Lauchheim/Württemberg bis 2008 weiter.

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