Seiffener Verleger

Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam ein Hiemann als Scheibenmacher an die Glashütte Heidelbach. Die Hiemanns waren als Glasmacher, Nachtschürer an der Glashütte, aber auch als Zinngießer, Schuhmacher und Drechsler tätig. Johann Adam Hiemann (1713 – 1782) war als Drechsler sehr angesehen. Anlässlich der Übernahme der Grundherrschaft Purschenstein durch Adam Rudolf von Schönberg im Jahre 1772 wird sein Erscheinen wie folgt beschrieben: „ Endelich wurde auch ebenfalls durch den Gerichts-Direktor zween Abgeordneten der Kunst-Drechsel-Fabrique zu Heydelberg, Nahmens Johann Adam Hiemann und dessen Sohn präsentiert, welche Ihro Excellenz durch Überreichung eines kunstmäßig gedrehten, hölzernen Willkomm mit der Aufschrift: Vivat Rudolph auf einem gedrehtem, hölzernen Präsentiertellers huldigten.“

Zwar wird in diesem Zitat ein Handel nicht erwähnt, aber der genannte Sohn, es war Friedrich Christoph Hiemann, wird bereits als Kauf- und Handelsmann erwähnt. Er starb am 14.10.1773 in Amsterdam, was darauf schließen lässt, dass die Hiemanns bereits einen ausgedehnten Handel betrieben. Diesen Handel übernahm Christian Friedrich Hiemann, der sein Berufsleben beim Militär begann und damit verschiedene Privilegien erhielt, mit denen er nach Beendigung seiner Dienstzeit als freier Handelsmann in einem Dorf tätig sein durfte. Er baute diese Firma zum bedeutendsten Verlag seiner Zeit in Seiffen aus.

Carl August Engelhardt schreibt 1804: „Die Drechsler selbst geben sich selten mit dem Vertrieb ab. Manche tragen ihre Waare nach Grünhainichen, die meisten liefern wöchentlich, gegen baare Bezahlung an die Aufkäufer Hiemann, Augustin, und Einhorn. Der erstere hat durch Betriebsamkeit und Erfindergeist sich und die ganze Familie ausserordentlich gehoben, und der größte Absatz derselben nach Russland, Preußen, Frankreich, Spanien, Portugal, Amerika und Ostindien etc. geht durch seine Hand. Er zahlt wöchentlich 1.000 Thaler an die Drechsler und giebt ihnen diesen, auf Verlangen, zum Theil Materialwaaren für die Arbeit. Ueberdies handelt er auch mit Wein, Tuch etc. durch seine ausgebreiteten Verbindungen und Thätigkeiten verschafft er den Drehern immer neue Models, oder erfindet und verbessert selbst. Die Farben liefert Hiemann auch.“

Bereits 1788 nahm die Nürnberger Firma Förster & Günter Geschäftsbeziehungen mit dem Hiemann-Verlag auf, die bis in das Jahr 1844 andauerten. Alle 14 Tage im Sommer und Winter gingen zwei große Frachtwagen mit solchen Holzarbeiten nach Nürnberg und Leipzig. Seit 1789 wurden die Firmenbriefe mit „Hiemann und Sohn“ unterzeichnet. Der Sohn war Samuel Friedrich Hiemann, der 1819 die Heidelbacher Glashütte kaufte, auch um Glas für sein Spielzeug, etwa Scheiben für Puppenmöbel, herzustellen. So führt die Preisliste etwa an: „Nr. 39 Ein Haus mit Glasfenstern“.

Sein Wohn- und Verlagshaus befand sich in Sichtweite der Glashütte und sicher ließ er auch Glas herstellen, das er mit Holzspielzeug kombinierte. Am 1. März 1820 übergab Samuel Friedrich aus gesundheitlichen Gründen den Verlag an seinen erst 14jährigen Sohn August Ferdinand, der das Geschäft gemeinsam mit seiner Mutter führte. Noch im gleichen Jahr starb der Alteigentümer. Um 1840 bewahrte Johann Friedrich Hiemann, wie oben beschrieben, durch sein Wissen und seine guten Beziehungen, die erzgebirgische Spielwarenproduktion vor dem Untergang. Die Hiemanns wurden auch die „Reichen Hiemanns“ genannt. Sie hatten gar das Privileg, sich neben ihrem Geschäftshaus beerdigen zu lassen. (Die Grabstätte ist heute noch zu sehen.) Wohl um 1850 beendete der Hiemann-Verlag seine Tätigkeit.

Unmittelbar am Kreuzweg in Seiffen befindet sich noch heute das schöne Verlegerhaus der 1825 gegründeten Firma C. G. Einhorn, dieser Verlag wurde 1872 nach Olbernhau verlegt und mit dem dortigen Verlag Emil Rudolf & Söhne vereinigt.

Ebenfalls um 1800 wurde der Verlag Augustin in Deutscheinsiedel gegründet. Augustin bemühte sich sehr, um Ware von böhmischen Drechslern zu beziehen und musste deshalb oft die Widrigkeiten der sich ständig wechselnden Zollbestimmungen in Kauf nehmen. Er äußerte während der „Farbenkrise“ 1840, dass er die Bedenken um giftige Farben nicht verstehe. Er kenne so viele Leute, die schon 60 Jahre mit derartigen Farben umgingen, ohne dass ein Krankheitsfall aus diesem Grund aufgetreten wäre.

Willi Einhorn war eigentlich Landwirt, dessen Hof sich im Seiffener Grund befand. Wohl nur nebenbei betätigte er sich von 1872 bis 1911 auch als Verleger. Jedoch war seine Geschäftstätigkeit äußerste gering. So verzeichnet er in seinem Geschäftsbuch lediglich 31 Geschäfte im Wert von insgesamt 1288 Talern. Als seine Kunden sind die Grünhainichener Händler Carl Friedrich Einhorn, C. G. Richter, Oscar Wagner, Oswald Wagner, der Berliner August Weiße und Heinrich Müller aufgeführt. Einhorn lieferte Dörfer, Bauernhöfe, Tiere, Hausrat, Cavallerie, Federkästen, Klingkisteln, Möbel u. a. Sein dennoch aufschlussreiches Rechnungsbuch ist erhalten und befindet sich im Archiv des Spielzeugmuseums Seiffen.

Zu den bedeutendsten Spielwarenverlagen des Erzgebirges gehörte die Firma H. E. Langer. Wohl zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam Kaspar Langer aus Pretzschendorf nach Seiffen. Wie er, der hier als Pingensteiger tätig war, arbeiteten auch seine Nachfahren im Seiffener Bergbau, so als Zinnschmelzer, Grubenbesitzer oder Steiger. August Ferdinand Langer (1841 – 1926) galt als sehr gewissenhafter Drechsler, der seine Ware auch selbst auf verschiedene Märkte brachte. Im Jahr 1880 gründete er ein Verlagsgeschäft für Holz-, Korb- und Spielwaren, das sein Sohn Heinrich Emil Langer (1871 – 1949) im Jahre 1903 übernahm und unter dem Firmennamen „H. E. Langer Seiffen“ fortführte.

Bereits längere Zeit vorher hatten sich Architekten und Volkskundler, die vor allem in Dresden und München tätig waren, damit beschäftigt, wie man Spielzeug pädagogisch wertvoller gestalten könne und sie entwarfen Miniaturspielzeug, das sie in Dresden fertigen ließen. Außerdem veränderten in dieser Zeit einige Staaten, darunter auch die USA, die Zollbedingungen für Spielzeug dahingehend, dass nun nicht mehr der Preis, sondern das Gewicht der Ware die Höhe des Einfuhrzolles bestimmte. Sicher auch aufgrund von Beratungen des Dresdener Volkskundlers Prof. Oskar Seyffert, der des Öfteren in Seiffen weilte, hat „Heinrich Emil Langer 1905 die erste Seiffener Miniatur auf den Markt gebracht. Das erste Stück war eine 5 cm hohe und 6cm lange Postkutsche.“ Im gleichen Jahr entstanden mit der „Erzgebirgischen Bauerstube mit der Ofenbank“ die erste Szene in einer Streichholzschachtel und die Eisenbahn in der Schachtel als: „The smallest train in the world“.

H. E. Langer blieb der feinsten Miniaturware stets treu und exportierte sie in viele Länder der Erde und hatte mit Louis Hiemann und Paul Arthur Gläßer die besten Spielwarenhersteller an seiner Seite. Sehr viele seiner Erzeugnisse ließ er patentieren. Folgerichtig wurde die Firma auf der Erzgebirgsausstellung 1912 mit der „Silbernen Medaille“ ausgezeichnet. Nie kaufte die Firma Ware von böhmischen Herstellern, da diese nicht ihren Qualitätsanforderungen entsprachen. Die Geschäfte liefen in den 30er und 40er sehr gut, bevor nach dem Krieg vor allem für selbsständige Händler eine schwierige Zeit anbrach. Den Verlag hatte nach dem Tode von H. E. Langer sein Sohn Kurt übernommen, der ihn bis zur Firmenauflösung 1962 auch leitete.

1866 gegründete der Spielwarenhändler Wilhelm Friedrich Hetze (1837 – 1923) in Seiffen einen Verlag, den später sein Sohn Max Hetze unter seinem Namen weiterführte. Die Familie Hetze war bereits vor 1545 in Seiffen ansässig und als Glasmacher, vornehmlich aber als Drechsler, tätig. Gemeinsam werden Elias I. Hetze, George Froß und George Hetze 1650 urkundlich als erste Drechsler in Seiffen erwähnt. Elias I. Hetze zahlte auch Wasserlaufzins, was darauf hinweist, dass er seine Drechselbank mit Wasserkraft antrieb.

Christian Heinrich Hetze baute an der Seiffener Kirche als Maurer mit, war aber auch als Drechsler tätig. Gotthelf Friedrich Hetze schärfte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts als „Huf- und Waffenschmied“ auch das Gezähe der Seiffener Bergleute. Sein Sohn Wilhelm Ferdinand Hetze wird anlässlich seiner Trauung mit Auguste Zschaschler im Jahr 1863 erstmals als Spielwarenhändler bezeichnet. Diese Nennung deutet zwar an, dass das Spielzeug ein wesentlicher Bestandteil seiner Handelstätigkeit war, aber dennoch spielten die Erzeugnisse für den dörflichen und häuslichen Gebrauch, wie Rechen, Sensen und Besen, Schüssel, Teller und Löffel, eine vorherrschende Rolle.

Wilhelm Friedrich Hetze besuchte zahlreiche Märkte, so den Jahrmarkt in Burgstädt, den Pferdemarkt in Lorenzkirch an der Elbe und den Striezelmarkt in Dresden. Nach Dresden benötigte er mit seinem Schubkarren zwei Tage. Sein größter Verkaufserfolg in Dresden soll gewesen sein, als er an einen Engländer drei Klapperpuppen für insgesamt 30 Pfennige verkaufte. Nach einem Brand im Jahr 1870 baute er das kleine Wohnhaus, in dem anfangs zwei Familien wohnten, wieder auf und nutze es auch als Warenlager.

Noch bis zum Abriss des Hauses, es wurde im Freilichtmuseum Seiffen wiederaufgebaut, deutet die Bezeichnung „Viehstube“ für ein Zimmer unterm Dach auf die einstige Warenlagerung hin. Im Jahr 1900 war das neue, mit Jugendstilelementen versehene, Wohn- und Geschäftshaus auf dem gegenüberliegenden Grundstück bezugsfertig. Dazu gehörte ein großer Anbau, der als Lager diente. Jedoch genügte diese Lagerfläche nicht und so standen auf allen Treppen bis hoch auf den Spitzboden Kisten mit Ware, oft mit schwerem Inhalt, wie z. B. Kreiseln. Diese Last hatte zur Folge, dass die Giebel des Hauses bereits nach nur 60 Jahren erneuert werden mussten. Wilhelm Ferdinand Hetze betrieb noch 1920 eine Spielwarenbude auf dem Jahrmarkt in Burgstädt.

Sein Sohn Max Hetze (1866 – 1947) meldete 1904 das Geschäft unter seinem Namen an. Aber auch er besuchte lediglich Jahrmärkte und verkaufte in seinem Verlag hauptsächlich Gebrauchsgegenstände und dies nur in kleinen Quantitäten. Seine Tochter Johanne (1891 – 1976) heiratete 1911 den aus Burgstädt stammenden Kaufmann Georg Kirsche (1885 – 1961). Sein Vater betrieb dort ein Textilgeschäft.

Georg erlernte in einem Textilbetrieb dieser Stadt den Beruf eines Kaufmanns. Ab 1905 arbeitete er im Spielwarenverlag „Otto Scheibner’s Nachfolger“ in Olbernhau. Für diese Firma war er oft im Ausland tätig, wobei er auf seinen Bahnreisen nur die 1. Klasse benutzen durfte, da er dort auch potentielle Geschäftspartner kennen lernen könne. Tatsächlich begegnete ihm in der Schweiz der Kaufmann Dreyfuß aus Straßburg, mit dem bis 1939 sehr gute Geschäftsbeziehungen bestanden. In Olbernhau wurde er bekannt mit Johanne Hetze (1891- 1976), der Tochter des Seiffener Verlegers Max Hetze.

Mit der Hochzeit im Jahre 1911 trat Georg in diesen Verlag als Prokurist ein. Er stellte sofort drei Arbeitskräfte ein und war der Kaufmann, der aus dem kleinen Geschäft einen weltumspannenden Verlag erarbeitete. Gemeinsam mit seinem Berliner Vertreter S. Strenger hatte er bereits 1916 Kunden in England, der Schweiz, Dänemark und Holland sowie in Südamerika, den USA, Kanada und anderen Ländern.

Anfangs betrieb er zur Leipziger Messe nur einen kleinen „Stand“ in der Mädlerpassage jedoch bereits ab 1913 präsentierte er seine Kollektion im Messehaus Petershof. Zwar wurde er von 1916 bis 1918 zum Kriegsdienst nach Pirna eingezogen, schaffte es dennoch auch in dieser Zeit, zu jeder Messe in Leipzig auszustellen. Dazu wurden viele Exponate auf Pappe geheftet und mit einem Preisschild versehen. Auf diesem Schild stand die Artikelnummer, der Preis, für den der Verleger eben diesen Artikel verkaufen wollte sowie zwei oder drei Buchstaben.

Aus Letzteren konnte der Verleger den Minimalpreis erkennen, der nicht unterschritten werden durfte, wollte er noch etwas verdienen. Dieser Preis musste natürlich vor dem jeweiligen Kunden verborgen bleiben. So erdachte sich der Verleger ein Kunstwort, das zehn verschiedene Buchstaben umfasste, z. B. „Manchoster“. Stand dann auf dem Schild etwa „GMi“, so wusste er, dieser Artikel kostet mich 1 Mark. Meist waren dies Dutzend-, Schock- oder Grospreise. Nach dem Ersten Weltkrieg waren im In- und Ausland Küchen- und Haushaltartikel wie Quirle, Nudelhölzer, Blumen-, Kakteen- und Nähständer sehr gefragt. Der Handel mit derartigen Gebrauchsgegenständen glich die Einkommen des Verlegers und zahlreicher Hersteller in der für Spielzeug absatzschwächeren Zeit aus.

Während der Inflation half der stark angestiegene Export, nennenswerte Verluste zu vermeiden, da die ausländischen Kunden die Ware in Pfund oder Dollar bezahlten. Der Vertrieb wurde verstärkt durch zahlreiche Vertreter, so in Dresden (Staudinger) und Berlin (S. Strenger). Aber auch in Mannheim, München, Breslau und Zwolle/Holland arbeiteten Männer für die Seiffener Firma. Wichtigster Vertreter war jedoch Gustav Burmeester, der die Niederlassung in der Nähe des Hamburger Hafens betrieb.

Diese Lage war notwendig, um Kunden aus Skandinavien, Norddeutschland und vor allem aus Amerika zu bedienen, die im Hafen dieser Stadt ankamen. Sie konnten dort Ware der Firma einkaufen, ohne erst ins Erzgebirge fahren zu müssen. Im Jahre 1929 hatte der Verlag ca. 210 Kunden. Zu den bereits Genannten waren als wichtige Kunden Japan, Hongkong, Australien und andere hinzugekommen. Über England ging die Ware auch in die Kolonien. Werbung wurde mit gedruckten Preislisten seit 1915 betrieben. 1930 erschien ein Katalog mit vielen Miniaturen. 1935 annoncierte Georg Kirsche in der damals bedeutendsten Wirtschaftszeitung der Welt, der EWZ – „Europäische Wirtschaftszeitung“. Zuschriften kamen aus mehreren Ländern, so auch aus Russlands Hauptstadt Moskau.

Wie viele Geschäftsleute wusste auch Georg Kirsche, dass die Mitgliedschaft in Vereinen stets gute Geschäftsansätze bietet. So war er Mitglied im Gewerbe- und Gesangsverein Seiffen, im Kegel-, Radfahrer-, Geflügelzüchter- und Erzgebirgsverein und wurde Schützenkönig des Seiffner Schützenvereins. Als begeisterter Autofahrer war er Mitglied des ADAC und zahlte all seinen Angestellten den Erwerb der Fahrerlaubnis, um bei Krankheit oder Ausfall der Kraftfahrer, etwa beim Einzug zum Kriegsdienst, jederzeit genug Kraftfahrer im Betrieb zu haben.

1934 trat Georg Kirsche, wie viele „Betriebsführer“, in die NSDAP ein. Jedoch scheiterte 1936 ein Versuch, Ware aus Böhmen unverzollt über die Grenze zu bringen. Dies hatte zur unmittelbaren Folge, dass er sofort aus der Partei ausgeschlossen wurde. Natürlich war dies mit Unannehmlichkeiten verbunden, doch spätestens 1945 stellte sich der Ausschluss als sehr bedeutend dar, denn viele Betriebsführer, die zu dieser Zeit in dieser Partei waren, kamen in sowjetische Lager.
Über die Verleger wurde in den 30er Jahren die Produktion von WHW-, KdF- und anderen Abzeichen an die Hersteller vermittelt. Hauptorganisator war der Direktor der Fachschule Seiffen Max Schanz im Auftrag des „Werbeverbands für das Holz- und Spielwarengewerbe im Schwartenberggebiet e. V.“. Die Verleger waren für die Qualität der Ware, Verpackung und deren termingerechte Versand verantwortlich. Die Hersteller erhielten bis zu 15 Mark pro 1000 Stück, der Verleger erhält ¼ bis ¾ Reichspfennige pro Stück.

Nach Überlieferung war es ein Anliegen von Georg Kirsche, dass die Miniaturfahrzeuge auch gut fahren und so ließ er die Zinnräder durch gute Holz- oder Masseräder ersetzen. Auch die leidliche Erfahrung, dass Mäuse die Teigteile von den Figuren abfraßen, soll er mit dem Drechsler Richard Langer dahingehend geklärt haben, dass dieser die Arme und Füße nun aus Holz drechselte.

Für Georgs Sohn Rudi (1916 – 2009) war vorgesehen, dass er ein kaufmännisches Praktikum in England absolviert, aber er musste 1937 zum Reichsarbeitsdienst und anschließend sofort zur Wehrmacht.

Bereits 1925 hatte Georg Kirsche zusätzlich ein Textilladen im Verlegerhaus eingerichtet. Nach dem Krieg führte diesen Tochter Edith Kirsche bis 1984.
Im Jahr 1938 wurde ein großes Gebäude an den Schuppen angebaut. Im Erdgeschoss befand sich das Musterzimmer des Verlages, das gleichzeitig als Einzelhandelsgeschäft diente. Die Firma Max Hetze war damit Verlags- später Großhandelsgeschäft, mit Einzelhandel.

1940 kaufte Georg Kirsche sein Nachbarhaus, ein Bauerngut. Neben der Erweiterung des Grundstückes am Verlegerhaus waren es vor allem die großen Wiesen, auf denen er viel Heu erntete, das er als Verpackungsmaterial brauchte. Während Georg Kirsches Söhne Rudi und Horst in den Krieg ziehen mussten, durften auch seine Töchter Susanne, Lore und Edith nicht im väterlichen Betrieb arbeiten, sondern mussten in einem der Rüstungsbetriebe arbeiten.

Georg bewältigte nun das Geschäft allein. So fuhr er freitags durch Deutscheinsiedel, Heidelberg und Seiffen sowie sonnabends nach Olbernhau, Hallbach, Böhmisch Katharinaberg und Gebirgsneudorf, um Ware zu holen. Lediglich noch fünf Lieferanten brachten ihre Erzeugnisse zu ihm. Seit dem 15. Juni 1943 durfte laut eines Regierungsbeschlusses kein Spielzeug mehr hergestellt werden. Ausnahmen bildete Spielzeug für den Export und für das Heer. Das traf alle Verleger und Kaufleute, die mit diesem Spielzeug handelten sehr hart. Die Drechsler mussten in den Betrieben arbeiten, die Rüstungsgüter produzierten. So äußerte Georg Kirsche immer wieder die Sorge, dass sein Geschäft bald geschlossen und er ebenfalls noch zum Kriegsdienst eingezogen würde. In einem Brief vom 15. September 1944 schrieb er an seine Söhne: „Stange Walter mit seinem Lungenschuss ist auch schon wieder kv. Er war bald tot und ist nun wieder an der Reihe. Wir kommen alle noch dran bis zum 60. Es geht bis zum Letzten, vielleicht aber ist der Feind eher. Man rechnet mit Mai 1945.“

Zwar wurde auch bis Kriegsende Spielzeug exportiert, so größere Posten an die Schweizer Schokoladenfirma „Lindt und Sprüngli“. Dennoch verlagert sich das Geschäft immer stärker auf Gebrauchsgegenstände, obwohl auch diese nur die Personen erhalten durften, die durch Bombardierungen geschädigt waren. Brauchte man zur Herstellung der Produkte Metall, wie Nägel, Draht oder Blech, so mussten die Kunden für diese Teile mit „Eisenmarken“ den Gegenwert erbringen. So fragte 1944 ein Kölner Kaufmann an, ob Georg Kirsche 2000 Kleiderbügel liefern könne, was bejat wurde. Der Kölner Kaufmann musste von seinem Stadtamt die Bestätigung einholen, dass die Ware für Leute vorgesehen ist, deren Wohnungen durch Bomben geschädigt wurden, außerdem waren von dort die entsprechende Menge an „Eisenmarken“ zu beschaffen, denn für die Kleiderbügel wurde Draht benötigt. Die Bestätigung und die „Eisenmarken“ sandte er zu Georg Kirsche, der nun die Kleiderbügel herstellen ließ und nach Köln sandte.

Nach Kriegsende wurden vor allem Gebrauchsartikel benötigt, was für die Firma so ein gutes Geschäft darstellte, dass er 1946 an seinen Sohn Rudi schrieb, er soll schnellstens nach Hause kommen. Doch die Franzosen entließen anfangs nur Gefangene nach Westdeutschland, so kam er erst Mitte 1946 nach Hause. Zu dieser Zeit waren die Drechsler aus dem böhmischen Erzgebirge bereits vertrieben worden und die neuen Besitzer durften nicht nach Sachsen liefern. Viele Kunden aus ganz Deutschland und dem Ausland schrieben an die Firma und baten, doch Ware zu schicken.

Der Winter 1947/1948 wird wegen der sehr kalten Temperaturen auch als „Eiswinter“ bezeichnet. Rudi Kirsche erfuhr, dass sowohl die Schule, als auch die Gemeinde, geschlossen werden müssen, wenn nicht bald Heizmaterial beschafft werden kann. Einzig und allein aufgrund seiner Geschäftsbeziehungen stand wenige Tage später ein mit Kohle beladener Eisenbahnwaggon auf dem Bahnhof Niederlochmühle. Rudi Kirsche sagte: „Ein halber Waggon Kohle ist für die Schule, ein Viertel der Ladung geht an die Gemeinde und ein Viertel nehme ich.“ Mit dem Viertel, das er sich behielt, wurden die Firma, die damals 12 Personen Arbeit gab, die Bewohner des Verlegerhauses und Bewohner der nahen Wohnhäuser mit Kohle versorgt.

Exportiert wurde u. a. nach Schweden und Dänemark. Aufgrund der Währungsreform in Westdeutschland brach der gesamte Handel mit diesen Ländern weg. Die letzte Lieferung ins Ausland fand 1950 statt. Dennoch stellte die Firma weiterhin zur Leipziger Messe im Petershof aus. Jedoch kam 1954 sehr kurzfristig das Verbot, in einem Messehaus ausstellen zu dürfen, da nur noch Firmen ausstellen durften, die auch Export betreiben. Einen Abbruch der Messebesuche gab es deshalb jedoch nicht. Seitdem wurden bis 1967 ungenutzte Geschäfts- oder Wohnräume im Leipziger Zentrum dafür angemietet. Seit dem erzwungenen Ende der Exporttätigkeit vertrieb die Firma ihre Ware an Warenhäuser, Großhändler bis hin zu Schreibwarengeschäften ausschließlich auf dem DDR-Gebiet. Nach dem Tode des Verlegers Georg Kirsche im Jahre 1961, übernahm sein ältester Sohn die Leitung der Firma.

Nach einem sowjetischen Wirtschaftswissenschaftler, der um 1970 in der Firma weilte, soll die Firma Max Hetze die einzige Firma im gesamten Ostblock gewesen sein, in der Groß- und Einzelhandeln in privater Hand lagen. Jedoch war bereits sehr früh von staatlicher Seite festgelegt worden, dass der private Großhandel nicht vererbt werden durfte.

Während die Warendecke bis zum Ende der 60er Jahre auch an guten erzgebirgischen Erzeugnissen noch viel bot, bekam der private Betrieb später immer weniger. Aber auch staatliche Geschäfte stöhnten zunehmend unter dem immer geringen Angebot, da der Export immer stärkere Ausmaße annahm. Das Geschäft Max Hetze kaufte nun verstärkt Ware in der Rhön und in Thüringen. Dabei waren auch viele Erzeugnisse aus Plaste. Dennoch beriet Rudi Kirsche weiterhin verschiedene Hersteller in Seiffen und Umgebung.

Es gab auch keine Schwibbögen mehr. Rudi Kirsche hatte um 1980 die Idee, die Tradition dieser Schwibbögen wieder zu beleben. Dazu fand er in Beyerfeld/Erzgebirge einen Metallbetrieb, dessen Betriebsleitung er überzeugen konnte, schwarze Metallschwibbögen mit unterschiedlichen Motiven herzustellen. Im ersten Jahr oblag Rudi Kirsche der Alleinvertrieb der mehreren tausend Schwibbögen.

Mit dem Eintritt ins Rentenalter übergab er den Einzelhandel an seine Schwiegertochter Bärbel Kirsche. Rudi Kirsche behielt den Großhandel, stellt jedoch 1984 den Versand ein. Jetzt sind Betriebe seine Kunden, für die er Tombolas zusammenstellt, deren Hauptgewinn manchmal auch ein Nussknacker, damals ein äußerst begehrtes erzgebirgisches Produkt, war. Im Jahr 1989 stellt er auch den Großhandel ein. Nach der Wende beleben Thomas und Bärbel Kirsche die Fa. Max Hetze als Groß- und Einzelhandel erneut. Nachdem sie im Jahr 2000 der Großhandel einstellten, wurde die Firma Max Hetze 2015 endgültig geschlossen.

Rudi Kirsche hatte noch zahlreiche verlegerische Ideen. Als letzten Artikel schuf er den Verleger Ferdinand Hetze in der Streichholzschachtel. Diese beschaffte er aus der Zündholzfabrik Riesa, die Druckarbeiten wurden in einer Seiffener Druckerei hergestellt, die Figur einschließlich des Radkarrens produzierten mehrere Spielwarenmacher. Rudi Kirsche war der letzte Spielwarenverleger im Erzgebirge.

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