Techniken der böhmischen Holzbearbeitung

Eine Sonderform des Drechselns ist die Linksdreherei. Ein Verfahren, welches mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im böhmischen Erzgebirge entwickelt wurde. Es wird deshalb auch als „Böhmische Linksdrehart“ bezeichnet. Dabei befindet sich der Spindelstock auf der rechten Seite der Drehbank. Das sehr kleine Werkzeug führt der Linksdreher mit der rechten Hand, während die linke Hand um das Werkstück fasst und so eine Gegenkraft zur Schnittkraft des Werkzeuges erzeugt, was besonders vorteilhaft bei der Herstellung von sehr langen und dünnen Drehteilen ist. Der Daumen der linken Hand unterstützt die Führung des Werkzeuges. Damit ist die Herstellung sehr kleiner Drehformen, aber auch relativ langer, jedoch dünner Drehteile möglich. Der Drechsler kann im Sitzen arbeiten, dazu hat er die Möglichkeit, sich entweder auf einen Stuhl vor die Drechselbank oder auf das Maschinenbett zu setzen.

Typische Linksdrehererzeugnisse sind Sandformen, Kegelspiele, Federhalter, Schachfiguren, Damesteine, Kreisel ebenso dünne Klöppel und Teile für Spinnräder. Dieses Verfahren ist auch bei geringen Stückzahlen rationell und gilt auch deshalb als ein sehr bedeutendes Verfahren bei der Entwicklung der erzgebirgischen Holzkunst. Hauptsächlich Drechsler um St. Katharinaberg, Brandau und Kallich wendeten diese Drehtechnik an, in geringerem Umfang auch verschiedene Drechsler im Seiffener Winkel. Nach dem Krieg waren die aus Böhmen stammenden Alfred Mahner und Karl Vogel in der Leuchtenbaufabrik ZICO Deutschkatharinenberg als Linksdreher bis 1958 tätig. Damit endete die Ära der Linksdreherei, die als Vorläufer der Drehautomaten gilt. Linksdrehen wendet heute nur noch der Drechsler Heiner Stephani in Olbernhau für manche seiner Erzeugnisse an.

Ein Verfahren, dass im Seiffener Winkel wohl aus dem Glasformendrehen für die nahe Glashütte Heidelbach entwickelt wurde und hier die Spielwarenmacherei ganz wesentlich befruchtete, ist das Reifendrehen. Es entstand um 1760, wurde aber, wenn auch wesentlich später, ebenfalls in Böhmen ausgeführt. Ob bereits einer der Drechsler, die 1822 von Heidelberg nach Oberleutensdorf übersiedelten, das Reifendrehen beherrschte, ist nicht bekannt. 1862 wird das Reifendrehen im Rahmen der böhmischen Erwerbsverhältnisse wie folgt beschrieben: „Keiner Manipulation verdankt die Spielwarenindustrie die Raschheit und Wohlfeilheit ihrer Produktion in höherem Maße, als der Reifendreherein.“ In der Fachschule Katharinaberg lehrte man das Reifendrehen in den 30er Jahren und im Museum Teplice werden Reifen aufbewahrt, für deren Herkunft Böhmisch Einsiedl gilt. So befruchteten sich die Spielzeuggebiete beiderseits der Grenze auch auf dem Gebiet der Drechseltechnik gegenseitig – im Seiffener Winkel entstand das Reifendrehen, im angrenzenden böhmischen Spielwarengebiet das Linksdrehen.

Das Linksdrehen brachte eine Berufsgruppe hervor, die es nur im böhmischen Uhrissener – Katharinaberger- Brandauer Raum gab – die Astelhacker. Sie sammelten Äste (Astel) im Wald, schnitten sie auf die von den Linksdrehern angegebene Länge und schnitten einen achteckigen Querschnitt. Astelhacker waren arme Leute, meist auch Witwen, die sich damit etwas Geld verdienten. Ein Linksdreher beschäftigte oft zwei Astelhacker. Sie wohnten meist in Dörfern, in denen keine Wasserkraft zu nutzen war, wie in den Kammdörfern Kleinhan, Nickelsdorf und Rudelsdorf. Viele Linksdreher arbeiteten im Sommer als Holzmacher und durften sich so Holz kostenlos mit nach Hause nehmen, das die Ehefrauen entsprechend zuschnitten. Dennoch stahlen die Drechsler oft Äste aus dem Wald, denn sie waren der Meinung, dass „Mausbäume“ die besten seien.

Bei Brandau gab es lediglich zwei Wasserräder, die beide abseits des Ortes lagen. Die Maschinen der Drechslerei Anton Weber trieb die Schweinitz an. Das Drehwerk von August Gröschel nutzte die Wasserkraft der Natzschung in der so genannten „Gelben Mühle“ nahe Gabrielahütten. Im Ort selbst jedoch floss kein dafür nutzbarer Bach. So gingen die Brandauer Drechsler in den sächsischen Nachbarort Rothenthal und mieteten hier eine Drehstelle. Sie liefen früh mit einem Jutesack über der Schulter, in dem sie die „Drehastln“ trugen, nach Rothenthal, drehten hier ihre Teile und trug sie abends nach Hause. Dort wurden sie von der Familie montiert und bemalt.

Zwar lag zu dieser Zeit bereits seit 1912 in den meisten Ortschaften elektrischer Strom an, dennoch waren 1932 noch mindestens 26 Wasserräder in böhmischen Spielwarenfabriken in Umgang.

Zwei weitere Technologien wurden in Böhmen und Sachsen angewandt, nämlich die Verwendung von Pappmaché und Masse. Bei der ersten Technologie wird Papier zu einem Brei (maché) aufgeweicht und mit Bindemittel und Füllstoffen angereichert, geformt, getrocknet und bemalt. Bereits für das Jahr 1830 kann diese Produktionsart für Oberleutensdorf nachgewiesen werden. Johann Georg Hörnlein, der Kinderspielzeug aus Holz und Pappmaché herstellte, zog 1845 von St. Katharinaberg nach Komotau.

Eine andere Art ist es, die Figuren aus Masse herzustellen, wobei diese Masse aus sehr unterschiedlichen Materialien zusammengerührt wurde. Derartige Masse diente dazu, komplizierte Teile an gedrechselten Holzfiguren zu ergänzen. So bekamen Räuchermänner ihr Gesicht oder Engel und Bergmann ihre Arme aus Masse. Aber auch ganze Figuren wurden in Masse gedrückt. Massefiguren produzierte man einst in vielen Orten des sächsischen Erzgebirges. Das geschah in große Firmen, wie in der 1864 gegründeten Fa. Friedrich Hermann Lahl in Annaberg-Buchholz und der Fa. Carl Friedrich Schmalfuß in Schneeberg. Aber auch in vielen Familienbetrieben, wie z. B. in der Familie Grämer in Waldkirchen, bei Franz und Reimund Größel oder Hugo Reißmüller in Seiffen war die Fertigung von Massefiguren zu Hause.

Der Katharinaberger Spielwarenmacher Theodor Weißgärber benutzte für seine weißen Figuren Kartoffelmehl, Wasser und als Bindemittel meist Leim. Er übernahm diese Art von seinem Vater Franz Weißgärber, der aus Preßnitz stammte. Ob er bereits dort mit der Massedrückerei begann, ist nicht sicher. Diese Kunst wurde auch in den Fachschulen Oberleutensdorf und Seiffen gelehrt.

Eine besondere Geschichte verbindet sich in dieser Hinsicht mit der Familie Seidler aus Seiffen. Bereits um 1825 besuchte der in Coburg geborene Christian Wilhelm Ernst Seidler die Industrieschule in Neustadt bei Coburg, wo vor allem Modelleure für die Spielwarenfertigung ausgebildet wurden. Nach seinen Wanderjahren, die ihn u. a. nach Wien und Prag geführt hatten, ließ er sich in Böhmisch-Grünthal nieder und gründete hier eine Spielwarenfabrik, in der er Massefiguren herstellte. Durch Heirat und Umzüge kam die Familie 1933 nach Heidelberg, wo Max Seidler auch Figuren als Spezialanfertigungen in 30 bis 40 cm Höhe für Schaufenster von Fleischern und Bäckern, aber auch Modelle für das Deutsche Hygienemuseum in Dresden modellierte. Dessen Sohn Herbert Seidler (1913 – 1997) fertigte noch in den 60er Jahren sowohl kleine Figuren als Zubehör für Lichthäuser der Firma VERO, als auch Tierfiguren als Lehrmittel für den Biologieunterricht im Auftrag des Deutschen Hygienemuseums. Herbert Seidler modellierte bis in die 1980er Jahre. Danach endete die Tradition der Herstellung von Massefiguren im Osterzgebirge.

Als einzige Firma im Erzgebirge stellt noch heute Konstantin Brückner in Mildenau Massefiguren her. Dabei kann er einen großen Formenschatz der ehemaligen Fa. Lahl, Annaberg nutzen.

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