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Zur sozialen Lage von Eigenlehnern und Tagelöhnern

Wegen der jahrhundertealten Tradition des erzgebirgischen Zinnbergbaus ging die Mehrzahl der Bergleute aus Familien hervor, in denen man daran gewöhnt war, dass sich der Alltag am Arbeitsrhythmus der Haupternährer ausrichtete. 

Kinder, die in solchem Umfeld heranwuchsen, wussten, dass der Beruf ein harter, schmutzige, feuchte und gesundheitszehrende war. Sie sahen Kinder, die nicht viel älter waren als sie selbst, mit ihren Vätern hin zur Grube gehen. Und sie waren dabei, wenn wieder einmal ein junger Familienvater zu Grabe getragen wurde. 

War ihr Vater des Kindes ein Eigenlehner, bedeutete das, dass alle Familienmitglieder sobald und solange sie dazu in der Lage waren,  in selbstständigen kleinen Familienunternehmen mitzuarbeiten hatten. Das galt besonders für die Jungen und Männer der Familie. Gab es viel zu tun, arbeiteten auch die Frauen mit, die sich gewöhnlich aber um den Haushalt, die Kindererziehung, die Gartenarbeit und die Versorgung des Viehs kümmerten. Oft waren es unergiebige Erzgänge, an denen die Eigenlehner arbeiteten. Zudem wirtschaftete man recht uneffektiv, weil das Geld für moderne Werkzeuge, Anlagen und qualifizierten Fachkräften fehlte. Es waren zwar teilweise auch  Tagelöhner (Hauer, Haspelknechte, Förderleute, Huntstößer) in solchen Unternehmen angestellt, oftmals kamen aber hier solche Arbeiter unter, die noch zu unerfahren oder schon so verbraucht waren, um eine ganze Schicht zu fahren und deshalb weniger Lohn bekamen.

Georgius Agricola schrieb über diese Unternehmen: „Da aber viel mehr Bergleute in der Kunst unerfahren als erfahren sind, so geschieht es, daß der Bergbau sehr wenigen zum Vorteil gereicht, vielen aber Schaden bringt. Denn der gemeine Haufe der Bergleute verwendet nicht selten alle Mühe vergeblich, weil er keine richtige Kenntnis von den Gängen hat. Größtenteils ja pflegt die Masse sich auf den Bergbau zu stürzen, die wegen Verschuldung, in die sie geraten sind, den Handel aufgeben, oder die, um mit der Arbeit abzuwechseln, Sichel und Pflug verlassen haben. Darum, wenn diese Leute einmal auf reiche Gänge von Erz stoßen, so geschieht dies mehr durch gut Glück als durch rechte Ueberlegung und Erfahrung.“ Die meisten Bergleute aber werden „in der Hoffnung betrogen und führten, durch Kosten und Verluste erschöpft, schließlich ein höchst bitteres und elendes Leben.“

Wollte ein Bergmann eine neue Grube als Eigenlehner betreiben, ging er zunächst auf Erzsuche. Glaubte er dann ein neues Vorkommen entdeckt zu haben, begab er sich zum Bergamt, um das Schürfrecht zu sichern. Der Bergmeister prüfte seinen Antrag durch persönliche Besichtigung. Er bestimmte die Maße und Lage der Grube, zu welcher dann auch ein Grundstück (Grubenfeld) gehörte. Gab es keine weiteren Mutungen auf diesen Erzgang, wurde dem neuen Bergwerk (Grube, Stolln) ein Eigenname, meist ein Heiligenname, gegeben und eine Gebühr erhoben. Mit der Eintragung in das Lehnbuch war die Verleihung rechtskräftig. Hiernach konnte der Abbau beginnen. Aber nur selten kam ein Bergmann nun ohne fremde Kapitalbeteiligung aus. Selbst wenn sich mehrere Berggesellen zusammentaten, forderten die Gruben einiges an Material, dessen Kosten aufgebracht werden mussten. Auch verging eine lange Zeit von der Verleihung bis zum ersten Geld, mit dem man sich als Familie versorgen konnte. Wenn ein Bergmann hohe Erträge in Aussicht stellen konnte, fand einen oder mehrere  kapitalstarke Verleger, die mit Vorschüssen auf Material und Lohn zum Aufbau und zur Technisierung der Bergbaubetriebe bei. Wurde der Eigenlehner dann fündig, so reichlich, dass er fortan ohne fremdes Geld auskommen würde, zahlte er den Verleger aus. Oftmals waren die Kleinunternehmer hierzu aber nicht in der Lage. Dann verkauften sie Anteile („Kuxe“) an ihren Gruben. So standen sie stets unter doppeltem Druck, dem des Grundherrn der seinen „Zehnt“ (zehn Prozent) an den Erträgen einforderte und dem der Kuxbesitzer, die die Erhöhung ihrer Gewinne forderten. Mit der Zeit gaben immer mehr Eigenlehner ihre Selbstständigkeit auf. Eigenlehner, die mit ihren Familien kleine Gruben, Stolln, Aufbereitungsanlagen, Schmelzhütten und Hammerwerke betrieben, wurden immer seltener. Die Zahl der selbstständigen Bergleute sank, während die Zahl der Tagelöhner stieg.

Besitzlose Tagelöhner, die ausschließlich von der bald bergmännischen, bald nichtbergmännischen Lohnarbeit lebten und sich im Ort einmieten mussten, gehörten nur dann nicht zu den Not Leidenden, wenn sie zu den privilegierten, geschickten Bergleuten gerechnet werden konnten. Nur dann erhielten sie eine entsprechend hoch zu entlohnende Facharbeit, während die Bergknechte, die nur Hilfsarbeiten ausführten, am Existenzminimum lebten. Völlig brotlos konnte ein Tagelöhner werden, wenn gleichzeitig mehrere Gruben geschlossen wurden und ein Überangebot an Arbeitskräften eintrat.

Hauer und Haspelknechte, die bei ihrer Schwerarbeit „ein Stück Brot mehr brauchten“, standen im Lohn meist so schlecht, dass sie ökonomisch gezwungen waren, nach ihrer Schicht noch, wenn durch die Bergordnung gestattetet, länger zu arbeiten.

Für alle Arbeiter bestimmte die der Bergknappschaft gehörende „Häuer-glocke“ den Tagesrhythmus zwischen Arbeitszeit und Freizeit. In großen gruben wurde in Schichten gearbeitet. Die Frühschicht ging gewöhnlich von 4 bis 12 Uhr, die Spätschicht von 12 bis 20 Uhr. Der Arbeitslohn war in zwei Arten möglich, als Zeitlohn (Schichtlohn) oder als Gedingelohn (Akkordlohn). In Gruben, die wenig ergiebig waren, wurde zumeist ein Zeitlohn festgelegt. Die Entlohnung der Tagelöhner erfolgte jeweils am Sonnabend durch den Schichtmeister in Gegenwart der Steiger.

Eine gewisse Sicherheit bot dem Tagelöhner und seiner Familie der Besitz eines eigenen Hauses mit Garten und Grasfleck samt Vieh. Dieser Besitz konnte aber auch zur Fessel werden, wenn der Bergmann durch Grubenstilllegungen zum Umzug gezwungen war. Oder der Bergmann ließ sich auf unterbezahlte Arbeiten vor Ort ein, um sein Eigentum nicht aufgeben zu müssen.

Der Seiffener Bergbau war selbst in sogenannten „Blütezeiten“ nie so ertragreich, wie z. B. in Freiberg oder Altenberg. Das Bergamt galt sogar als das Schwächste Sachsens. So ist nachzuvollziehen warum die Bergmannsfamilien zu jeder Zeit gezwungen waren, sich durch handwerkliche Nebenverdienste, sowie die Betreibung einer kleinen Landwirtschaft etwas zum Lebensunterhalt hinzuzuverdienen und dennoch oft Not litten. Den Arbeitsrhythmus wählte man so, dass neben dem Bergbau auch die Ausübung der Landwirtschaft möglich war. Zum Beispiel wurden die Arbeiten unterbrochen, wenn die Heuernte oder der Holzeinschlag anstanden. 

Der Wochenlohn eines Bergarbeiters betrug zirka 24 Groschen, womit er in guten Jahren 12 Sechspfundbrote kaufen konnte. Schon dies reichte kaum hin, um die zumeist kinderreichen Familien zu ernähren, so dass bereits die zehnjährigen Knaben als Bergjungen, die Mädchen in der Heimarbeit mithelfen mussten. Da die Arbeitsentgelte sich in den Teuerungsjahren kaum veränderten, schrumpfte die Kaufkraft des Bergarbeiterlohnes auf zwei Sechspfundbrote die Woche und, was vielleicht noch ärger war, blieb auch der Nebenverdienst der Frauen und Kinder aus. 

Nach der Schicht und Weilarbeit wurden Wege oder Arbeiten zum Erhalt der Berufsbereitschaft erledigt. Werkzeuge wurden zur Bergschmiede zum Schärfen gebracht. Im Bergamt musste der Wochenlohn persönlich abgeholt werden.

Weiterer Zeitaufwand war für Arbeiten am eigenen Haus und im Garten nötig. Saisonale Aushilfe beim Bauern (z. B. bei der Heu- oder Getreideernte), Botengänge und Anderes waren oftmals nötig, um den Unterhalt für eine große Familie zu erwirtschaften. In den Wintermonaten, wenn der Bergbau oft, aufgrund von Kälte und Nässe, zum Erliegen kam, stellten die Männer Dinge für den Verkauf her. Dabei erlangte das Drechseln von Gebrauchsgegenständen (Spindeln, Teller, Becher) in der Seiffener Region besondere Bedeutung. Aber auch das Schindelmachen, das Kammmachen, die Herstellung von Schwämmen, das Weben von Leinen u.a. wurden betrieben. Die Frauen und Mädchen widmeten sich dem Flachsspinnen. Einige Seiffener Bergleute verdingten sich auch als Musikanten. 

Freizeit, im heutigen Sinne, kannte man kaum. Abwechslung brachten der Familie der sonntägliche Kirchgang und kirchliche Feiertage. (ctb) 

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