Reisen im Mittelalter

Missionare, Pilger und Kaufleute gelten als Pioniere des Reisens. Auf der Suche nach einem Weg durch einen reißenden Fluss, durch menschenleeres Land oder über das Gebirge waren manche Glaubensboten und Wallfahrer sogar dazu bereit, ihr Leben zu riskieren. Dagegen wollten Händler, die aus der Ferne das lebensnotwendige Salz sowie Bernstein, Gewürze, Pelze, Weihrauch und andere Luxusgüter herbeischafften, in der Regel gesund zu ihrer Familie heimkehren. Es war normal, mit viel Gepäck zu reisen. Waren, Lebensmittel, Futter, Waffen, Werkzeuge, Zelte, Kleidung, Geld, Dokumente wurden mitgeführt. Handelsreisen war teuer. Träger, Mautgebühren, Trinkgelder, Unterkunft, Essen, Tierärzte u.a. musste bezahlt werden. Deshalb schlossen sie sich zu Gruppen zusammen und ließen sich durch Bewaffnete schützten. In einer Gruppe war man auch in der Lage, sich gegenseitig Schwierigkeiten verschiedenster Art zu helfen., zum Beispiel bei Angriffen von Banditen, Kriegshandlungen auf die man traf, Unfälle, zerstörte Brücken, Krankheiten, früh einsetzender Winter usw.
 
Die meisten Menschen aber kamen zeitlebens kaum über Strecken von 25 bis 30 Kilometer von ihrem Wohnort hinaus. Niemand reiste, der nicht reisen musste. Die Straßen waren einsam und menschenleer, besonders wo sie durch größere Waldgebiete führten. In der Nähe von Städten sah man auf den Straßen Bauern die zum Markt gingen oder von dort kamen, Hirten, die ihre Herde zur Weide trieben, Leute, die zum Gerichtstag gingen oder zum sonntäglichen Gottesdienst und Kinder, die zur Schule liefen. Bettler versuchten in der Stadt ihr Glück. Der Grundherr ritt oder fuhr mit seinem Gefolge aus. Berittene Boten brachten die neuesten Nachrichten, Gaukler sorgten für Kurzweil. Größere Züge von Reisenden waren hier selten.
 
Der meiste Verkehr ging zu Fuß oder zu Pferde vor sich. Pferdewagen waren zu dieser Zeit noch ungefedert und so längere Fahrten kein Vergnügen.
 
Gewöhnlich wurden die alten Handelsstraßen als Höhenwege angelegt. Man mied die oft unpassierbaren und durch Hochwasser gefährdeten Flusstäler. Waren einmal dennoch sumpfige Wegabschnitte zu bewältigen, versuchte man diese durch Legen von Reisig und Holzstangen befahrbar zu halten. Bei den Straßenbauarbeiten zur Öffnung der Grenze in Deutscheinsiedel/Mnisek hat man solche alten Bohlen noch gefunden.
 
Doch steile Talquerungen waren nicht überall zu vermeiden. Flüssen mussten dort überwunden werden, wo das Wasser flach war und ruhig dahinfloss. Brücken gab es nur selten. Die Reisenden auf der Alten Salzstraße mussten in Neuhausen den Flusslauf der „Flöha“ überqueren. Bei Bedarf erhielten sie dabei von den Anwohnern Unterstützung (Geleit).
 
Der steile Südabhang dann in Richtung Böhmen war für Fuhrknechte und Zugpferde eine besonders schwere Herausforderung. Bremsklötze kamen zum Einsatz, um das Tempo der Wagen bei der Talfahrt zu steuern, dabei drückte ein Holzklotz auf die Radlauffläche. Doch die großen Wagenräder gruben sich, besonders nach starken Regenfällen oder während der Schneeschmelze, in den Boden der unbefestigten Wege ein und kamen nicht selten ins Rutschen. Blieb ein Wagen im schlammigen Untergrund stecken, konnte er nur durch ein Vorgespann wieder herausgeholt werden. Die nachfolgenden Kutscher suchten einen Weg um das Hindernis herum und so entstanden neben der eigentlichen Straße mehrere parallel liegende Fahrspuren. Sie wurden so häufig benutzt, dass sie sich tief in die Landschaft eingruben und hier und da noch heute zu entdecken sind.

Große Probleme stellten die in früheren Jahrhunderten auch viel strengeren Winter dar („Kleine Eiszeit“: 15. bis 19. Jahrhundert). Schneestürme und meterhohe Verwehungen machten viele Pässe monatelang unpassierbar. Im 18. Jahrhundert verbesserte sich die Wegesituation etwas, als die wichtigsten Passstraßen vermessen, und ausgebaut wurden. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erfolgte die Anlage und Befestigung von Straßen in den Tälern, während die meisten Höhenwege in Vergessenheit gerieten.
 
Siedlungen, Märkte und Städte lagen, mit zunehmender Besiedlung des Erzgebirges, nicht selten im Abstand von 10 km und weniger. Infolgedessen fanden Reisende im Notfall rasch Hilfe und sie kamen schneller und sicherer voran. Dank eines Netzes von Wegen konnten sie Hochwassern und zerstörten Brücken, Fehden, Räuberbanden und anderen Gefahren ausweichen. 
 
Unter den schwierigen Lebensbedingungen unterwegs zu erkranken, war ein weiteres Risiko für den Reisenden. In jedem Ort, den er durchquerte, konnte eine Seuche ausgebrochen sein. Nicht immer wurden Fremde gewarnt. Einmal angesteckt trugen sie dann aber die Krankheit von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt weiter, bis sie vielleicht irgendwo selbst erkrankten und starben.
 
Auf langen Handelsreisen war es erforderlich, Übernachtungspausen einzulegen. „Arme Schlucker“ übernachteten notfalls unter einem Baum. Bei unwirtlichem Wetter nahmen sie mit einem einfachen Lager vorlieb, das ein Bauer, Einsiedler oder Hirte, ein Jäger oder Köhler bieten konnte, oder sie klopften an eine Klostertür. Reisenden kam zugute, dass die christliche Bevölkerung auf das Gebot der Hilfe und sogar der Gastfreundschaft dem Fremden gegenüber verpflichtet war. Wohlhabende führten auf ihren Packtieren Zelte, Bettzeug und Proviant mit sich. Herrscher und Adlige kehrten bei ihresgleichen ein, sofern sie nicht in eigenen (Königs-)Höfen oder Pfalzen übernachten konnten.
 
Der Begriff „Ausspanne“, den wir bis heute kennen, weist auf ein Gasthaus mit der Möglichkeit zum Ausspannen der Pferde aus den Fuhrwagen hin, also auf die Übernachtung der Reisenden und das Unterstellen der Tiere im Stall. Mitunter gingen Ausspannen wenig über einen Pferdestall mit Strohsäcken für die Nachtruhe und eine allgemeine Feuerstelle hinaus. Und die Reisende mussten auf engstem Raum mit anderen essen, schlafen, sich vielleicht waschen und ihre Kleider wechseln. Die unzulänglichen hygienischen Zustände stellten allgemein ein großes Problem in Herbergen dar. In den Betten waren oft Flöhe, Läuse und Bettwanzen anzutreffen.

Sowohl in der Nähe von Poststationen und Hauptstraßen, als auch in den Innenstädten standen bessere Unterkünfte zur Verfügung. Sie boten neben der bloßen Schlafstelle weitere Leistungen, wie Verpflegung oder das Waschen der Wäsche an. In diesen einfacheren Unterkünften hatten die Zimmer in aller Regel keine abschließbaren Türen, was zu einer erheblichen Bedrohung der Reisenden und ihrer Habe durch Diebe führte. Deshalb findet sich in der zeitgenössischen Reiseliteratur häufig die Empfehlung, ein stabiles Schloss mitzubringen.
 
Die Handelswege standen im Mittelalter unter dem Schutz der Grundherren, auf deren Gebiet sie verliefen. Diese waren für den Erhalt und die Sicherheit auf den Wegen und Straßen verantwortlich. Die Untertanen der Herrschaft hatten Instandhaltungen durchzuführen und die Straßen im Winter von Schnee zu räumen, so weit möglich. Zur Finanzierung dieser Arbeiten wurden Geleitsgelder eingenommen, die an Geleits-(Zoll-)stätten zu entrichten waren. In der Herrschaft Purschenstein gab es ab dem 14. Jahrhundert drei solcher Geleitsstätten, an der Hasenbrücke bei Neuwernsdorf, am Schloss Purschenstein und in Sayda. Aus Geleitsrechnungen ist zu entnehmen, welche Transportmittel genutzt, welche Waren transportiert wurden und wie stark diese Straße frequentiert wurde. Darin sind Wagen mit einem oder zwei Pferden verzeichnet, Berittene, Fußgänger mit Tragen oder Schiebeböcken (Radkarren). Im Winter kam natürlich der Schlitten zum Einsatz, sowohl der Pferdeschlitten als auch der Handschlitten. Das Geleitwesen wird auf den folgenden Seiten noch näher beleuchtet.
 
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“ Das war früher so und ist heute so. Natürlich haben sich die Reisebedingungen enorm verändert. Da war die Eisenbahn die seit den 1830er Jahren das Reisen, aber auch den Handel verbesserte. Seit Ende des 19. Jahrhunderts befahren kleine und große Autos die mehr oder wenigen guten Straßen. Während Otto Lilienthal 1894 nur wenige hundert Meter flog und das ganz allein, transportieren nur 120 Jahre später riesige Flugzeuge Menschen und Waren in wenigen Stunden von Kontinent zu Kontinent.

Die heutigen Menschen haben es noch erlebt, dass Pferde- und Ochsengespanne Waren und Menschen transportieren. Diese Transportmittel kannten schon die Pharaonen im alten Ägypten. Aber wir hören auch schon von Autos, die selbständig fahren und so ihrer Bezeichnung Automobil, d.h. „selbst bewegen“ sehr nahekommen. Wir leben in einer tollen Zeit! Aber dennoch können höhere Kräfte, gegenwärtig Coronaviren, auch heute noch zum unberechenbaren Abenteuer werden lassen. (ctb)

Reisegeschwindigkeit bei verschiedenen Fortbewegungsarten

Die Reisen dauerten vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang und, falls nötig, kam man noch am gleichen Tag zurück.

ReisendeKilometer pro StundeKilometer pro Tag
Zugochse2,510 - 30
Fracht-, Saumpferd3,630 - 50
Fußwanderer3,620 - 40
Reiter bei längerem Tourenritt6,130 - 50
Pferd im Trab12
Pferd im Galopp20 - 25
"Durchschnittsreisende"
wenig eilig, mit Gefolge und Gepäck, z. B. Kaufleute
30 - 45
Eilige, rüstige Reiter50 - 70
Kuriere, mit Pferdewechsel50 - 80
Päpstliche Eilboten, 14. Jh., Ebene100
Päpstliche Eilboten, 14. Jh., im Gebirge50

Fahrzeuge, wie die Karren, waren im Mittelalter sehr nützlich, um kurze Strecken zurückzulegen. Sie wurden jedoch aufgrund der schlechten Wege wenig für lange Reisen genutzt. Das Reiten auf dem Pferd, dem Muli und dem Esel ersparte die Ermüdung beim Gehen, erlaubte die Last zu tragen und passte sich den schwierigen Wegverhältnissen an. Normalerweise wurde weder galoppiert noch getrabt.

Verkehrsregeln:

  • Welcher Wagen zuerst an die Brücke kommt, der soll auch zuerst darüber fahren.
  • Die Landstraße soll so breit sein, dass ein Wagen dem anderen ausweichen kann.
  • Der lehre Wagen soll dem geladenen ausweichen.
  • Und der leichtere Wagen soll dem schwereren ausweichen.
  • Wer besser ausweichen kann, der soll auch ausweichen.
  • Der Reitende weiche dem Wagen aus.
  • Der Gehende weiche dem Reitenden aus.

Catrin Tolksdorf-Bilz

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