Die Eisenbahn kommt!

So umstritten diese stinkenden Ungetüme anfangs in der Bevölkerung waren, die Eisenbahn brachte wirtschaftlichen Aufschwung und eine Verbesserung der Versorgungslage, auch im Erzgebirge.

Am 7. Dezember 1835 wurde mit der sechs Kilometer langen Strecke von Nürnberg nach Fürth die erste deutsche Eisenbahnverbindung eröffnet. Damit begann der Triumphzug der Eisenbahn in Deutschland: Bereits fünf Jahre später waren rund 500 km Schienen verlegt, bis 1850 verzehnfachte sich das Streckennetz auf 5.700 km. Es war damit das nach den USA und Großbritannien drittgrößte Eisenbahnnetz der Welt. Später hatte Sachsen das dichteste Eisenbahnnetz der Welt. Kein Haus stand mehr als 4 km vom nächsten Bahnhof entfernt.

Die erste Bahnstrecke, die in die Region um Seiffen reichte, wurde in den Jahren 1871 bis 1875, zwischen Chemnitz – Lengefeld – Pockau – Olbernhau gebaut. Weil diese als grenzüberschreitende Bahn bis in die böhmischen Braunkohlegebiete geplant war, hatte sich zuvor die Chemnitz-Komotau-Eisenbahngesellschaft gegründet. Den Bau bewältigte die Gesellschaft allein. Nach dem ersten Betriebsjahr ging sie jedoch bankrott und musste verkaufen. Der neue Eigentümer, der Staat Sachsen baute die Strecke innerhalb der folgenden 20 Jahre bis Neuhausen weiter aus. Seiffen, das rund drei Kilometer von der Trasse entfernt liegt, wurde nicht an das Eisenbahnnetz angeschlossen, weil der Geschäftsmann Franke befürchtete, dass dann alle nach Olbernhau zum Einkauf fahren und sein Geschäft eingeht. So erhielt Seiffen einen kleinen Bahnhof in Dittersbach, der am 1. Oktober 1905, zusammen mit der Strecke, eingeweiht wurde.

Im nordböhmischen Kohlenrevier wurde die Strecke Aussig – Teplitz – Dux – Komotau in Betrieb (1858 bis 1870) gesetzt. Die Bahn, die zunächst auch als Privatbahn gebaut und betrieben wurde, übernahm der Staat 1892.

Die Strecke bekam, von Komotau aus, eine Verlängerung bis Obergeorgental/Horní Jiřetín. Diese Station lag von Gebirgsneudorf/Nová Ves v Horách acht und von Katharinaberg/Hora Svaté Kateřiny nur 10 Kilometer entfernt. Einen Anschluss an das böhmische Bahnnetz erlangten die Grenzorte dennoch nicht. Waren und Personen mussten zuerst die Passstraße nehmen, um zum nächsten (böhmischen) Bahnhof zu gelangen. Bis zur sächsischen Bahnstrecke war der Weg kürzer, als sie, allerdings erst viele Jahre später, bis ins Tal der „Schweinitz“ (hier der Grenzfluss zwischen Sachsen und Böhmen) reichte. Endlich, im Jahre 1927, öffnete die Bahnstrecke nach Deutschneudorf und die „Schweinitztalbahn“ konnte fahren.

Bereits nach Fertigstellung der Bahnstrecke Pockau-Lengefeld–Neuhausen bis Olbernhau, im Jahre 1875, hatten die Gemeinden im Schweinitztal den Bau einer schmalspurigen Stichbahn von Olbernhau aus gefordert. Unter anderen hatte sich der Eigentümer der Oberseiffenbacher Spielzeugfirma „S.F. Fischer“ für diesen Anschluss an das landesweite Bahnnetz stark gemacht, um den Transport seiner Waren (über Bahnhof Oberlochmühle) zu erleichtern.

Doch der Plan wurde zunächst aus Rentabilitätsgründen abgelehnt. Im Laufe einer erneuten Diskussion, im Jahre 1908, kam auf österreichischer Seite die Idee auf, die Bahn in normaler Spurweite zu errichten und über Deutschneudorf hinaus bis in das böhmische Braunkohlerevier um Oberleutensdorf (Litvínov) zu verlängern.

Sächsische Industrielle hatten großes Interesse an dem Projekt und verpflichteten sich sogar, jährlich 40.000 Waggon Braunkohle aus Böhmen zu beziehen. Die Kohlegesellschaften hofften auf eine Absatzsteigerung um 50 Prozent. Holz aus den erzgebirgischen Wäldern und viele andere Waren sollten transportiert werden. Man rechnete mit etwa 250 Waggon täglich auf dieser Strecke. Außerdem sah man Chancen für den Ausbau des Fremdenverkehrs. Es kam nicht dazu.

Immerhin erteilten die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen 1913 die Konzession zum Bau einer Strecke zwischen Olbernhau–Deutschneudorf. Die Bauarbeiten begannen am 23. Juni 1914 und sollten ursprünglich im Frühjahr 1915 abgeschlossen werden. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzögerte die Arbeiten, da die Strecke zwischen den Kilometern 1,86 und 2,84 über böhmisches Gebiet verlief.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erfolgte der Weiterbau der Strecke, der sich aber immer wieder verzögerte. Erst am 2. Mai 1927 wurde sie feierlich eröffnet. Der von zwei Lokomotiven gezogene, festlich geschmückte besetzte Zug für um 11 Uhr in Olbernhau mit zahlreichen Ehrengästen ab. Viele hundert Menschen, beidseits der Grenze, hatten sich entlang der Strecke eingefunden, um die lang ersehnte Bahn zu begrüßen. Brandauer Gemeindevertretern boykottierten die Feier, weil die Gemeinde Brandau zwar einen Bahnhof hatte, die Züge aber bis auf weiteres nicht hielten. Der Grund dafür war, dass in Brandau zunächst keine Wohnung für einen Grenzbeamten zu finden war und die Gemeinde kein Interesse zeigte, einen Beamten tschechischer Nationalität ins Dorf zu bekommen. Ein Jahr später war das Problem geklärt und der Brandauer Bahnhof konnte in Betrieb genommen werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Haltepunkt Brandau nicht mehr bedient. Sämtliche Züge verkehrten nunmehr, ohne Halt und unterständiger Bewachung durch die tschechische Grenzpolizei, über tschechoslowakisches Territorium. Nach nur 39 Jahren Betriebszeit wurde der Personenverkehr auf der Schweinitztalbahn am 21. Mai 1966 eingestellt und, nachdem seit dem 28. September 1969 auch kein Güterverkehr mehr erfolgte, die Strecke abgebaut. 51

Auf dem Abschnitt Olbernhau/Grünthal und Neuhausen wurde 1994 der Güterverkehr eingestellt. Nach der politischen Wende war u.a. der Absatz der Neuhausener Sitzmöbelindustrie eingebrochen. Der Personenverkehr wurde noch bis zum Juni 2001 bedient und das obwohl immer weniger Berufstätige zwischen Neuhausen und Olbernhau pendelten. Beide Strecken, die Bahn zwischen Olbernhau und Neuhausen und die „Schweinitztalbahn“ warten auf eine touristische Neunutzung. Pläne gibt es bereits.

Catrin Tolksdorf-Bilz

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