Geschichten um die erzgebirgischen Glashütten

Heute verbindet man das Erzgebirge mit Bergbau und Holzkunst, aber nicht mit Glashütten. Dennoch war das früheste Gewerbe neben den Waldgewerben, wie Jagd, Fischen und Holzmacherei, die Glasherstellung. Die früheste erzgebirgische Glashütte, die sich im Frauenbachtal bei Neuhausen befindet, datiert ins Jahr 1200. Sie ist damit gleichzeitig die älteste Glashütte Ostdeutschlands und die am weitesten im Osten Europas gelegene Glashütte dieser Zeit. Sie und zwei weitere Glashütten, die sich hinter Bad Einsiedel bzw. neben dem Freilichtmuseum Seiffen befinden, gründeten Zisterzienser-Mönche aus dem nahen Kloster Ossegg. Sie waren an der Besiedlung des Seiffener–Saydaer Gebietes wesentlich beteiligt. Da dieses Gebiet zu dieser Zeit zu Böhmen gehörte, sind sie gleichzeitig die ältesten Glashütten Böhmens (Abb. 34 und 35). 

Diese Klosterhütten und die Glashütten der folgenden 250 Jahre waren Wanderglashütten. Dabei arbeiteten die Brennöfen (Abb. 42, S. 32) an einer Stelle, bis die Bäume ringsum geschlagen waren, danach zogen sie um 1 bis 2 km weiter. Bei vorindustriellen Glashütten wurden die Öfen mit Holz beheizt. Holz war der Hauptrohstoff zur Glasproduktion. Damit wurde zum einen die notwenige Wärme im Ofen erzeugt, zum anderen gewann man daraus Asche, die zur Senkung der Schmelztemperatur und zur Gewinnung des notwendigen Kaliums diente. Als Glasbildner nutzte man entweder Quarz oder Sand, je nachdem was in der Nähe vorkam. Allein durch den Eisengehalt in diesen Rohstoffen entsteht grünes Glas, so genanntes Waldglas. Versetzt man den Glassatz mit Mineralien, kann man das Glas einfärben. So erhält man z. B. blau mit Kobalt, rot mit Gold oder Kupfer, violett mit Mangan, Milchglas durch Zusatz von Knochenmehl. Diese Glashütten dienten natürlich erst einmal dazu, aus dem vielen, sonst wertlosen Holz, dass bei der Rodung der Wälder für die Besiedlung anfiel, wertvolles Glas herzustellen. Gleichzeitig dienten sie auch der Grenzbildung. Der Herrschaft, welche den Auftrag gab, die Glashütte anzulegen, gehörte zukünftig auch die Lichtung. 1459 legte man die Grenze zwischen Böhmen und Sachsen fest, um die seitdem nie ein Krieg geführt wurde und die mit nur einer kleinen Korrektur im damals festgelegten Verlauf bis heute besteht.

In der Glashütte Neudeck arbeitete um 1540 Christoph Schürer an der Verbesserung der Kobaltnutzung. Kobalterz hielten Bergleute anfangs oft für Silber, doch dieses Erz täuschte sie wie ein Kobold, deshalb nannten die Bergleute es Kobalt, betrachteten es als nutzlos und warfen es auf die Halde. Man konnte damit in Venedig bereits im 15. Jahrhundert Glas blau färben. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kam die Farbe Blau ganz groß in Mode und der Glasmacher Christoph Schürer entwickelte aus Kobalterz eine Substanz, so genannte Smalte (Schmelze), die es erlaubte, nicht nur Glas, sondern auch Leinwand, Papier etc. blau zu färben. Da der sächsische Hof kein Interesse dafür zeigte, unterwies er in Magdeburg Holländer in dieser Kunst. Diese gründeten viele Blaufarbenwerke und erzielten damit riesige Gewinne, doch Christoph Schürer kehrte ohne Dank und gar ohne den versprochenen Lohn nach Neudeck zurück. 

In Crottendorf wird eine Glashütte bereits 1493 erwähnt. 1532, Glasmeister war Peter Wander, wurden die Zinsen (Steuern) für die Glashütte erhöht. Waren bis dahin Gläser, so viel die Herrschaft benötigte zu liefern und zusätzlich zwei Gulden zu zahlen, mussten danach zusätzlich für jedes der jährlich 40 Fässer gezapften Biers, drei Groschen gezahlt werden. Der Glasmeister beklagte sich darüber bei Herzog Georg und meinte, wenn er das zahlen soll, müsse er die Hütte stilllegen, womit viele Leute arbeitslos würden. Die erhöhten Zinsen wurden nicht zurückgenommen, worauf Peter Wander die Hütte schloss. Sie übernahm jedoch eben dieser Christoph Schürer. Doch mit der kurfürstlichen Waldordnung, musste die Glashütte Crottendorf endgültig stillgelegt werden . Hauptgrund dafür war eine Flöße, mit der die Glasmeister Holz aus entlegenen Wäldern holten. Derartige Flößen wurden nun für den Bergbau und die aufstrebenden Städte benötigt. Im gesamten Erzgebirge arbeiteten ca. 85 Wanderglashütten. In der Zeit von ca. 1450 bis 1700 kam sächsisches Glas ausschließlich aus erzgebirgischen Glashütten.

Ab 1560 wurden Waldordnungen erlassen, denn Holz war knapp geworden und musste nun selektiert werden. Je nach Qualität verwendete man es für Stützen in den Bergwerken oder für Wasserräder und andere Maschinen oder zum Heizen der Wohnungen. Damit durften auch die Glashütten die Bäume nun nicht mehr schlagweise roden. So reduzierte sich deren Anzahl sehr drastisch.

Auf Grund des geringen Bergbaus in den böhmischen Gebirgen, wie Iser-, Riesen- und Adlergebirge, waren die dortigen Wälder sehr dicht. Böhmische Grundherren hatten um Glasmacher in Sachsen geworben, denn allein mittels Glashütten konnten diese Wälder sinnvoll und gewinnbringend genutzt werden. So wanderten viele sächsische Glasmacher nach Böhmen. Der Glasmacher Paul Schürer aus Ansprung ging 1528 an die Glashütte in Kreibitz, welche zu dieser Zeit die einzige in Nordböhmen war. Er gilt als der erste sächsischer Glasmacher, der in Böhmen aktenkundige erwähnt wird. Schürer und seine Erben erhielten das Privileg, Glashütten in anderen böhmischen Gebirgen gründen zu dürfen. 1592 wurde einem Nachkommen, ebenfalls namens Paul Schürer, für seine Verdienste um das Glas vom böhmischen König der Adelstitel „Schürer von Waldheim“ verliehen.

In Sachsen wurden nach 1560 nun wenige Glashütten sesshaft oder neu gegründet. Sie bekamen nun die Aufgabe, schlechtes Holz aus den Wäldern zu verwerten und diese so zu pflegen. Sie nutzten das Holz, das sich in derart abgelegen Gebieten befand, die auch durch Flößen nicht erreichbar waren. Die 19 sesshaften Hütten, die u. a. in Heidelbach, Marienberg, Platten/Horni Blatná und Jugel, (Johanngeorgen-stadt) im Umgang waren, produzierten Flach- und Hohlglas, sowohl für einfache Ansprüche, als auch für den Dresdner Hof.

Durch den Schmalkaldischen Krieg (1545 bis 1547) hatte Sachsen 1558 ein Stück Land um die Städte Platten und Gottesgab an den böhmischen König abgeben müssen. Der neue Grenzwald lag so weit ab von den nächsten Dörfern, dass er weder durch eine Flöße, noch durch Gespanne erreicht werden konnte. Sebastian Preußler, Glasmeister an der Glashütte Heidelbach, erhielt 1571 den Auftrag, in diesem Waldrevier, Jugel genannt, nahe der Grenze eine Glashütte zu erreichten. Aus einem Waldgebiet von 42 km2 stand ihm das schlechte Holz zur Verfügung, das vom Förster angewiesen werden musste. Die erhaltenen Gläser zeugen von der hohen Qualität, die hier erreicht wurde (Abb. 36). Diese Glashütte diente weiterhin zur Grenzmarkierung, als evangelische Kirche für Protestanten aus böhmischen Städten zur Zeit der Gegenreformation in Böhmen und außerdem hatten die Bewohner dieser Glashütte darauf zu achten, dass niemand das gute sächsische Kobalt nach Böhmen schmuggelt.

Die Glashütte Heidelbach bei Seiffen wurde um 1488 von Justus Preußler gegründet. Hier wurden Gläser aller Art produziert, was einige Funde (Abb. 37) bestätigen. 1714 brannte diese Hütte ab. Die Brandstätte und die Glashütte der Familie Strauß kaufte der Geheime Berg- und Kammerrat Michael Nehmitz, einst enger Vertrauter von August dem Starken. Seit dem Übertritt des Gold- und Porzellanmachers Johann Friedrich Böttcher nach Sachsen oblag Nehmitz dessen Aufsicht und er war ab 1710 erster Direktor der Porzellanmanufaktur Meißen. Sein Bekannter Johann Gottfried Meerheim, eigentlich ein Barbier, der sich jedoch als „Commerzien-Commisarius“ titulierte, kam mit List durch Böttcher zur Kenntnis des Arkanums um das Meissner Porzellan und experimentierte schon einige Jahre zur Verbesserung des Farbauftrages für dieses Porzellan. Dazu hatte Meerheim ein Labor in Heidelbach. Porzellanfunde (Abb. 38) zeugen von diesen Versuchen, die jedoch nicht von Erfolg gekrönt waren. Später wurde Meerheim zum Verräter des Arkanums des Meissner Porzellans.

Nehmitz war jedoch nicht fähig, die Glashütten zu führen, so verkaufte er alles 1722 an seine Frau Dorothea Sophia Nehmitz geborene Lichtwer. Sie organisierte die Hütten nach modernen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und konzentrierte die Glasherstellung auf einem relativ engen Terrain. Jährlich wurden sechs bis sieben große Frachtwagen voller Gläser an den Dresdener Hof geliefert. Als 1752 der Weg nach Dresden verändert werden und die Nehmetzin dadurch Zoll in Rechenberg zahlen sollte, drohte sie kein Glas mehr an den Hof zu liefern. Sie schaffte es, dass man sich auf eine jährliche Pauschale einigte. 

Durch die territorialen Verkleinerung Sachsens nach 1815, war die Heidelbacher Glashütte die einzige Glashütte in Sachsen geworden. Obwohl sie sich in schlechtem Zustand befand, wollte der Dresdener Glasmaler Samuel Mohn (Abb. 39), der von hier sein Rohglas bezog, sie in eine Kristallglashütte umbauen. Er gründete dazu eine Aktiengesellschaft, zu deren Förderern gehörten u. a. der Berghauptmann von Trebra und der Freiberger Chemieprofessor Lampadius. Jedoch entsprachen die hiesigen Voraussetzungen nicht mehr einer modernen Glashütte. 1826 stellte man die Glasherstellung an der Heidelbacher Glashütte ein. Sie produzierte ca. 330 Jahre und ist damit die Glashütte mit der längsten Produktionszeit der Welt. 

1889 wurde die Glasfabrik Carlsfeld von direkter Holzheizung auf Regenerativgasheizung umgestellt, damit endete die Ära der vorindustriellen Glashütten im Erzgebirge. (A.K.)

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