Krämerläden und andere Geschäfte im alten Seiffen

Die im 13. Jahrhundert ankommenden Siedler waren meist Bauern und somit Selbstversorger. Ihre Abgaben an die Herrschaft zahlten sie hauptsächlich in Naturalien. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann sich in Sachsen das Geld als Zahlungsmittel immer stärker durchzusetzen. Die 1545 beginnenden Grundbücher von Seiffen belegen, dass die Käufe mit Geld, damals Thaler, beglichen wurden.

Mit der zunehmenden Differenzierung der Berufe innerhalb der Dorfgemeinschaft, wuchs auch der Handel zwischen den Bewohnern, der ebenfalls mit Geld betrieben wurde. In den seit dem Jahr 1650 noch vorhandenen Zins- und Dienstregistern der Grundherrschaft Purschenstein sind Leistungen und Waren ausschließlich in Geldwerten angegeben. Bergleute und Handwerker, wie Drechsler, Leineweber und Schmiede waren hier meist doppel-berufig, das bedeutet, sie betrieben neben ihrem Hauptgewerbe, auch stets eine kleine Landwirtschaft, um in dem rauen Klima, dem kargen Boden ein paar lebensnotwendige Produkte abzuringen. Sicher kauften sie von den Bauern auch noch notwendige Lebensmittel, wie sie auch Sachen z.B. vom Schmied oder vom Leineweber kauften. Jedoch verbot die sächsische Regierung 1767 jeglichen Handel und Ausübung eines Handwerks auf den Dörfern, so sollten vor allem die städtischen Zünfte geschützt und gestärkt werden.

Der Grundherr von Schönberg auf Purschenstein protestierte mit einem Brief an die Regierung dagegen, in dem er schrieb, dass hier oben die Leute kaum Möglichkeiten zum Broterwerb haben und Handel und Handwerk wichtige Lebensgrundlagen seien. Mit dem Verbot des Dorfhandels und des Handwerks würde ihnen die Lebensgrundlage genommen. Er befürchtete daher, dass viele Leute in Armut verfallen und nach Böhmen abwandern könnten. Auch der Verleger Hiemann protestierte gegen dieses Gesetz, da die Spielwarenmacher Holz, Werkzeuge, Farben und anderes kaufen müssten, ohne dieses sei die Spielwarenerzeugung nicht möglich und somit auch ein wichtiger Broterwerb vom Aus bedroht sei. Für die Purschensteiner Herrschaft konnte so diese Rechtsverordnung teilwiese außer Kraft gesetzt werden. Der Verleger Hiemann betrieb ebenfalls einen Laden, in dem nicht nur wichtige Dinge für die Spielwarenproduktion, sondern auch Lebensmittel gekauft werden konnten.

Erst 1861 regelte ein Gesetz die Gewerbefreiheit, die die enge der Zünfte aufhob. Nun konnte jedermann Handel und Gewerbe selbständig ausüben. Die meisten Geschäfte waren Kolonial- und Materialwarenhandlungen bzw. Krämerläden, in denen ein breites Angebot herrschte. Eines der am frühsten erwähnten Geschäfte im heutigen Seiffen ist der 1880³ von Wilhelm Strauß eröffnete Materialwarenladen (N-8b, Hauptstr. 8b), 1930 übernahm seine Tochter Dora, verheiratete Partzsch dieses Geschäft. (Abb. 45) Als Kinder waren wir um 1960 noch bei ihr einkaufen. Man klingelte im Hausflur und aus der ersten Etage schleppte sich die Frau die Treppe herunter. Im Geschäft stütze sich Frau Partzsch auf die Ladentafel, um mir eine Stange „Pfeffi“ für 8 Pfennige zu verkaufen.

Ebenfalls ein Materialwarenladen, nur wesentlich größer, eröffnete Otto Schneider 1910 im Gebäude der ehemaligen Gaststätte „Mückels Restaurant“ (S -100, Hauptstr. 104). Nach dem Tod ihres Mannes führte das Geschäft ab 1937 Emma Schneider. Zahlreiche Räume dieses sehr großen Hauses wurden seitdem von den Schneiders verpachtet. 1949 übernahmen Sohn Rudolf (Rolf) das Geschäft und führte es gemeinsam mit seiner Frau Ruth bis 1993. Es war ein echter „Tante – Emma-Laden“. Dabei ist zu beachten, dass es vor allem in den 1980er Jahren oft schwer war, ein einigermaßen breites Angebot zu gewährleisten, aber der Kaufmann Rolf Schneider schaffte es, stets auch Waren anzubieten, die eigentlich als Engpässe galten. Erinnern kann ich mich, dass wir als Schulkinder um 1976 ab und zu in den Unterrichtspausen zum „Schneider Rolf“ rannten, um die wohlschmeckende Himbeer-Limonade der Gebr. Oelmann aus Olbernhau zu trinken. Diese Brause wurde in Schnappverschlussflaschen abgefüllt. Stets ermahnten uns die Schneiders mit den Worten: „Aber spritzt mir ja nicht mit der Limonade draußen herum“.

Weitere Krämerläden, die ein ähnliches Angebot führten, waren u. a. das im Jahre 1878 von Amalie Müller (S-17, Hauptst.51) gegründete Geschäft, das 1939 von Max Bräuer übernommen wurde, der es bis etwa 1945 führte. Adolf Seibt (S-102, Hauptstr. 100) eröffnete 1882 ein Geschäft, dass seit 1915 Anna Kempe betrieb. Als Anna, die sechs Kinder großzog und nie krank gewesen sein soll, 86 jährig starb, führte ihre jüngste Tochter, Ilse Charlotte Hübner geb. Kempe das Lebensmittelgeschäft ab 1958 weiter. Weitere Läden betrieben: seit 1884 Emil Stiehl (H-22, Deutschneudorfer Str. 39); ab 1901 Heinrich Neuber (O-36, Oberseiffenbacher Str. 36), Carl Seifert (O-55b, Oberlochmühle); 1923 Emma Matthes (H-83, Alte Dorfstr. 14); 1930 Alex Engelmann (S-1, Hauptstr. 94) und seit 1937 Hellmuth Hiemann (O-44b, Oberseiffenbacher Str. 21): Es könnten noch zahlreiche weitere Läden genannt werden.

Als Kolonialwarenhändlerin bezeichneten sich ebenso seit 1898 Theresie Kempe (S-88, An der Binge 16). Ihr 1898 gegründetes Geschäft übernahm 1939 Emil Schuffenhauer. (Abb. 47) Ab 1921 betrieb Arno Kaden ein Geschäft im Haus (H-79b) Hauptstr. 124. Er nutzte seinen Garten, später auch sein großes Glasgewächshaus und baute Gemüse, Blumen, Kräuter u.a. nützliche Pflanzen an, die er in seinem kleinen Laden, mit anderen vielen Angeboten verkaufte. Arno Kaden war unter den Ortsansässigen als der „Butter-Kaden“ bekannt.

Wilhelm Ferdinand Hetze (S- 23b; Hauptstr. 41) betrieb seit etwa 1870 einen Laden, in dem er vor allem Erzeugnisse verkaufte, welche die Bauern benötigten, u.a. Rechen, Schaufel- und Sensenstiele, Rutenbesen, Hacken, Eisenwaren usw. Auch Spielzeug konnte man kaufen, denn Ferdinand Hetze war auch Spielwarenverleger. 1902 wurde das Verlegerhaus gegenüber (S-18b – Hauptstr. 40) erbaut, in dem Max Hetze seinen Spielwarenverlag betrieb. Später eröffnete Georg Kirsche, der Schwiegersohn von Max Hetze, hier noch eine Musterausstellung mit Verkauf, sowie einen Textilwarenladen. In den 50er bis 80er Jahren war es eines von lediglich drei Geschäften in Seiffen, in denen man erzgebirgische Volkskunst kaufen konnte. Die beiden anderen waren die PGH „Seiffener Volkskunst“ (Schauwerk-statt), sowie ein Geschäft im Spielzeugmuseum.

Im rechten Seitengebäude des „Gasthofs zum Erbgericht“, das Hotel und Gaststätte war (S- 1; Hauptstr. 94), befand sich die kaiserliche Post. Das neue Postgebäude (S- 1b, Hauptstr. 92) wurde 1905 erbaut, um den stetig ansteigenden Versand der Seiffener Betriebe zu bewältigen. Emil Tränkner besaß vor 1900 ein Geschäft für Drogen und Chemikalien. (Abb. 48) Diese Produkte wurden von den Seiffener Spielwarenmachern in großer Vielfalt gebraucht.

1899 kaufte Martin Poser das Haus (S-2; Hauptstr. 90) und richtet hier ebenfalls eine Drogerie ein, in der man Tabakwaren, Farben, Chemikalien, Reinigungsmittel, Schuhcreme, aber auch Hundekuchen, Vogelfutter, Ansichtskarten sowie Wanderrucksäcke und Handtaschen kaufen konnte, ja, sogar schöne Glaslüster gehörten zu seinem Angebot. Sein Sohn Herbert Poser, erlernte neben dem Beruf des Drogisten, auch den eines Fotografen und handelte darüber hinaus mit optischen Geräten und natürlich den bekannten Ansichtskarten.

Die Besonderheit für Seiffen sind sicher die Drogerien und Chemiehandlungen (J. Schönfelder), die sich hier sehr zeitig ansiedelten, damit die Spielwarenmacher, die für ihre Produktion notwendigen Farben und den Leim ohne weite Wege kaufen konnten.

Natürlich waren im Ort auch zahlreiche Bäcker tätig, von denen hier nur einige genannt werden können. Aus dem Jahr 1874 ist Oswald-Hermann Kunert (H-76, Nussknackerstr. 1) bekannt. 1876 folgten Alfred Börner (H-155, Anton-Günther-Str. 6); 1884 Ferdinand Wange (H-178, Steinhübel 9); 1885 Carl-Ferdinand Beyer (H-78, Hauptstr. 134); 1887 Hermann Ulbricht (O-17, Schulstr. 9); 1895 Heinrich  Trinks (S-97b, Hauptstr. 108); 1898 Emil Dietel (S-39, Hauptstr. 82); 1890 Ferdinand Lorenz (H-113d, Hauptstr. 186); 1901 Wilhelm Glöckner (O-47, Oberlochmühle 47); 1904 Paul Kunert, der Sohn des Oswald Kunert (H-78b, Alte Dorfstr 9) und 1912 Bruno Partzsch (S-8, Hauptstr. 81).

Zur Adventszeit gab es in den Backstuben sehr viel zu tun, die Frauen des Dorfes brachten alle Zutaten zum Bäcker, die sie für ihre Weihnachtsstollen mühsam versorgt hatten. Die Bäcker kneteten den Teig, backten die Stollen und versahen sie mit dem Alu-Namensschild der Besitzerin. Natürlich waren die „Weihnachtsstollen“ nicht alle zur gleichen Zeit fertig, aber die Frauen trafen sich zeitig in der Backstube, unterhielten sich, waren fröhlich und tranken dabei auch gern ein Schnäpschen. Dennoch kamen die Stollen jedes Jahr wohlbehalten im Wäschekorb zu Hause an. Als Kinder hatten wir beim damaligen Schmieder-Bäcker die Aufgabe, im Keller den Mohn zu mahlen. Dazu nutzten wir eine Mohnmühle, die mit einer Handkurbel ausgestattet war.

Nachdem die Bäckereien Partzsch und Dietel in den 1960er Jahren ihre Geschäfte schlossen, gab es im „alten“ Seiffen keinen Bäckerladen mehr, was zu starken Unmut führte. Die nächsten Bäcker waren der Schmieder-, später Walter-Bäcker und der Lorenz-Bäcker in Heidelberg, sowie der Ulbricht-Bäcker in Oberseiffenbach.

Natürlich gab es im Laufe der Jahre wohl noch viel mehr kleine Geschäfte und „Ladeln“ in Seiffen, aber dieser Querschnitt zeigt, dass die Bewohner dieses Ortes mit einem vielfältigen Warenangebot versorgt waren.

Detlef Strehlow, Seiffen

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