Spindeldrechsler, Spielzeugmacher, Reifendreher und Verleger im Raum Seiffen

Wo sich heute in Seiffen die Werkstätten der Spielzeugmacher aneinander reihen, war noch bis vor rund 160 Jahren der Bergbau im Gange. Die Lagerstätten und damit die Ausbeute waren jedoch nicht so groß, dass sie dem Ort zu Wohlstand verhalfen. Bergleute mussten wegen ihres geringen Einkommens, durch Nebenbeschäftigungen etwas für ihren Lebensunterhalt hinzuverdienen. Neben dem Betreiben einer Landwirtschaft oder dem Ausführen eines Handwerks, nahm das Holzdrechseln dabei einen wichtigen Platz ein.

Woher und wann der erste Drechsler nach Seiffen kam, ist nicht bekannt. Vielleicht ist er unter den Exulanten zu suchen, die wegen ihres evangelischen Glaubens in den Folgen des 30-jährigen Krieges aus Böhmen vertrieben wurden und sich auch in Seiffen niederließen. Die erste schriftliche Erwähnung fanden drei Drechsler im Jahre 1650.

Die dichten Wälder ringsum boten den „Spindel– oder Tellerdrehern“ genügend Rohstoff. Gebrauchsgegenstände wie Spindeln, später auch Teller, Schüsseln, Feder– und Nadelbüchsen waren ihre Haupterzeugnisse in dieser Zeit. Spielzeug wurde, außer wohl für die eigenen Kinder, nicht hergestellt. Bis zum Jahre 1700 erhöhte sich die Anzahl der Drechsler bis auf zehn. Mit ansteigender Ausbeute des Seiffener Zinnbergbaus in der darauffolgenden Zeit, wandten sich auch wieder zunehmend mehr Drechsler dem Bergmannsberuf zu, sodass im Jahre 1734 in Seiffen nur ein Drechsler tätig war. Der „Riesenauftrag“, 30.000 Teller für das Zeithainer Lustlager, das 1730 stattfand, zu drechseln, wurde so in Neuwernsdorf und nicht in Seiffen ausgeführt.

Um 1760 brachte der Heidelberger Kaufmann Christian Friedrich Hiemann von der Leipziger Messe große Aufträge mit.12 Sie umfassten nun hauptsächlich Spielzeug, das durch die massenhafte Herstellung zur Spielware wurde. Die zahlreich am Seifenbach vorhandenen Pochwerke rüstete man zu Drehwerken um, was auch durch die Grundherrschaft begrüßt wurde. Doch als die Bergwerke wieder aufgefahren werden sollten, ging niemand mehr in den früheren Beruf zurück. Die „umgeschulten“ Drechsler, der Waldreichtum, die Umrüstung der Pochwerke und der Mut des Kaufmanns Hiemann waren wichtige Voraussetzungen, um im Seiffener Winkel das Holzdrechseln und das „Spielwaremachen“ zu etablieren.

Verleger waren die Einzigen, die das Dorf zum Zwecke der Auftragsbeschaffung verließen. Sie kannten den Markt, brachten Aufträge für die daheimgebliebenen Drechsler mit, übergaben ihnen oft die notwendigen Materialien und bei Lieferung der Ware erhielten diese sofort ihren Lohn. Dieses Vorlegen des Geldes, was man früher auch Verlegen nannte, gab dem Verleger seine Berufsbezeichnung. Die Drechsler waren zu dieser Zeit stark von den Verlegern abhängig. 1767 sanktionierte der sächsische Kurfürst den Beruf des Verlegers. Nur mit Verlegern, die in die ganze Welt exportierten, konnte sich das Drechsler- und Spielwarenmachergewerbe entfalten wie im Seiffener Winkel. Dies bestärkt auch der Wiener Kaufmann Franz Frankl bei einem Vergleich der böhmischen und sächsischen Spielwarenindustrie, indem er meint, dass … zwischen dem rechten (Sachsen) und linken Ufer (Böhmen) der Schweinitz krasse Unterschiede in der Qualität des Drechselns, in der Innovation der Produkte und in der Breite der Produktpalette bestünden. Schuld daran seien allein die böhmischen Verleger, die nie versuchten die Waren im Ausland abzusetzen.

Mit der bürgerlichen Aufklärung, ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, setzte sich die Spielwarenproduktion dann mehr und mehr durch. Zu dieser Zeit war die Handelsstadt Nürnberg bereits zum Umschlagplatz für Holzspielwaren aus ganz Europa geworden. Seiffen war für die Kaufleute wegen der qualitätsvollen Waren, bei einem, auf niedrigem Lohn– und Lebensniveau und hoher Spezialisierung der Holzdrechsler begründeten, geringen Preis aufmerksam geworden. Es entwickelten sich rege Handelsbeziehungen. Die Seiffener Verleger Augustin, Einhorn und Hiemann, übernahmen die Vermittlerrolle, stellten aus den Produkten der einzelnen Hersteller Sortimente zusammen und sorgten so für die Verbreitung der vielgestaltigen, unverwechselbaren und preisgünstigen Waren auf dem Weltmarkt. Bereits im Jahr 1784 setzte der Überseehandel ein.

Die Biedermeierzeit mit dem aufstrebenden Bürgertum war besonders geeignet, Spielzeug abzusetzen. Jedoch wurde die sächsische Regierung 1843 benachrichtigt, dass in Nordhausen erzgebirgisches Spielzeug aufgetaucht sei, welches mit giftigen Farben, wie Grünspan und Bleiweiß gefärbt wurde. Weder Verleger noch Drechsler widersprachen dem, denn nur mit diesen giftigen Farben konnte die Brillanz des Spielzeugs erreicht werden, die besonders in England, Frankreich und den USA gefordert wurde. Dennoch wurde die Anwendung dieser Farben sofort verboten, was die Spielwarenproduktion in ganz Sachsen in Frage stellte – sie stand vor dem Aus. Der Verleger Gottlieb Friedrich Hiemann unterbreitete den Vorschlag, die Lackschicht mit Terpentin zu versiegeln. Danach wurde auch die Meinung des Chemieprofessors Wilhelm August Lampadius von der Bergakademie Freiberg eingeholt, der Hiemanns Vorschlag für gut befand, aber darüber hinaus sollte die Ware noch mit Spirituslack überzogen werden. Diese zwei Männer retteten in dieser Zeit die Holzspielwarenproduktion für ganz Sachsen.

Spätesten mit dem Aufkommen der Weihnachtsfiguren (Engel 1836, Räuchermann 1848, Nussknacker 1861 etc.) trat auch eine immer stärkere Spezialisierung der Drechsler ein. Wohl schon vorher kam es zu Spezialisierung einzelner Dörfer. So wurden in Hallbach Archen und in Rothenthal Kegel, in Seiffen feines und in Deutscheinsiedel grobes Reifenvieh, das so genannte „Einsiedler Vieh“ hergestellt. 1850 gründete Samuel Friedrich Fischer in Oberseiffenbach die erste Spielzeugfabrik Deutschlands. Ihm folgten noch zahlreiche unternehmerische Drechsler, die ihre Werkstatt in eine Fabrik umwandelten.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts geriet die erzgebirgische Spielwarenindustrie erneut in eine tiefe Krise, die vor allem für die Drechsler und Spielwarenmacher schwere Folgen hatte. Ursachen dieser Krise waren die Verteuerung des Holzes, das Aufkommen des Blechspielzeuges in Nürnberg, neue Konkurrenz aus Japan und der damit verbundene Preisdruck der Verleger. Das etwa um 1780 entstandene Reifendrehen16, das einen ganz wesentlicher Pfeiler bei der Entwicklung des Seiffener Winkels zum Drechsler- und Spielwarenstandort darstellte, verschwand aus den Dörfern Neuhausen, Dittersbach und Deutschneudorf völlig und die Löhne sanken nicht nur für die noch verbleibenden Reifendreher.

Als im Jahre 1904 die Reifendreher verhindern wollten, dass ihre Kunst an der Fachschule gelehrt wurde, weil sie dadurch eine zu große Verbreitung des Reifendrehens befürchtete, dass sie als „Krone unserer Hausindustrie“ bezeichnen, kam es zu einer Diskussion über dieses Fertigungsverfahren. Dabei bezweifelte ein Beamter der amtshauptmannschaftlichen Delegation Sayda, ob das Reifendrehen überhaupt sinnvoll ökonomisch vertretbar sei und begründet dies: Zwar schafft Reifendrehen hohe Stückzahlen, aber dabei wird sehr viel Holz verbraucht. Auf der Reifendrehbank wird werden jetzt noch in der Hauptsache kleine Tiere aller Art, Flinten, Arme und Beine für Soldaten usw. hergestellt. Es liegt in der Natur des Reifendrehens, dass nur sehr annäherungsweise die Formen des darzustellenden Tieres entstehen. Bei allem handelt es sich um Tausendware der allergeringsten Güte. Band- und Laubsäge ermöglichen bessere Formen. Darauf antwortet das Ministerium des Inneren jedoch, dass …. die Neubelebung und Förderung des Reifendrehens, das für die erzgebirgische Spielwarenindustrie von größter Bedeutung ist.

Von der Amtshauptmannschaft Freiberg, Delegation Sayda, zu der Seiffen damals gehörte, wurde eine maßvolle Verbesserung der künstlerischen Formen vorgeschlagen, um damit eine echte Volkskunst im Kleinen zu schaffen. Somit war die Kategorie „Volkskunst“ für das erzgebirgische Spielzeug geboren. Dies wurde vor allem durch den Landesverein Sächsischer Heimatschutz unterstützt. So nahmen Miniaturen neben den Weihnachts- und Kulturartikeln sowie Gebrauchsgegenständen in der Produktion des Seiffener Winkels bis zum 1. Weltkrieg einen immer breiteren Raum ein.
 
Bereits vor 1900 hatten sich Künstler und Kunsterzieher u.a. in Dresden und München damit beschäftigt, gutes Miniaturspielzeug zu entwerfen, um dem industriell hergestellten Spielzeug, qualitativ hochwertiges Spielzeug entgegenzusetzen. Gefertigt wurde dies anfangs in den Hellerauer Werkstätten Dresden, sowie in Zschopau und Großolbersdorf. Um 1900 stellten zahlreich Länder, so auch die USA, ihre Zölle vom Wertzoll auf Gewichtszoll um, damit waren Miniaturen gefragt, und so entwarf 1905 der Seiffener Verleger Heinrich Emil Langer, angelehnt an die Dresdener Schule, eine Postkutsche und ließ sie produzieren. Mit dieser Miniaturisierung war die Grundlage für die Seiffener Volkskunst geschaffen, die bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts ein breites Sortiment hervorbrachte. In dieser Zeit wurde aufgrund erhöhter Nachfrage die Produktion von Weihnachts- und Osterartikel verstärkt. Dennoch wird bis heute Miniaturspielzeug produziert.

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